Ausgefragt ?! Prof. Dr. Marylyn Addo - Impfungen: Vor Infektionskrankheiten schützen


Interview mit Prof. Dr. med. Marylyn Addo

IIRVD - Institut für Infektionsforschung und Impfstoffentwicklung

Impfungen sind die erfolgreichsten Mittel im Kampf gegen Infektionskrankheiten und haben bereits Millionen von Leben gerettet. Anlässlich der von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) initiierten World Immunization Week 2023 erklärt Prof. Dr. Marylyn Addo, Direktorin des Instituts für Infektionsforschung und Impfstoffentwicklung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), gegen welche Infektionskrankheiten sich Kinder und Erwachsene impfen lassen sollten, ob durch die Pandemie verpasste Impfungen nachgeholt werden können und an welchen Impfstoffen ihr Institut gerade forscht.

  • Mein Name ist Marylyn Addo. Ich bin die Direktorin des Instituts für Infektionsforschung und Impfstoffentwicklung und leite die Sektion Infektiologie in der I. Medizinischen Klinik hier am UKE.

    Frau Professor Addo, warum ist Impfen so wichtig?

    Impfungen sind die erfolgreichsten Mittel zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten und haben wirklich schon Millionen von Menschenleben gerettet. Tatsächlich gibt es außer sauberem Trinkwasser keine andere Gesundheitsintervention, die so viele Menschenleben gerettet hat. Und wenn wir uns die aktuellen Ausbrüche von Diphtherie und Masern in Ungeimpften anschauen, sehen wir, wie wichtig Impfen gerade ist.

    Welche Kinderimpfung würden Sie empfehlen?

    Wir empfehlen alle Kinderimpfungen, die auch von der STIKO empfohlen sind, die STIKO ist die Ständige Impfkommission. Das klappt bei den Kleinkinderimpfungen eigentlich ganz gut über die Kinderärztinnen und Kinderärzte. Oft verliert sich das bei den Jugendlichen ein bisschen und da sollte man darauf achten, dass gerade die jugendlichen Mädchen und Jungen gegen HPV, also das Humane Papillomavirus, geimpft sind und auch darauf achten, dass der Hepatitis-B-Schutz aktuell ist.

    Gegen welche Erkrankungen sollten auch Erwachsene noch einen Impfschutz aufbauen?

    Auch für Erwachsene gelten die STIKO-Empfehlungen. Und daher bitte mal den Impfpass suchen oder mit Hausarzt oder Hausärztin den aktuellen Impfstatus durchgehen. Denn auch für Erwachsene sind Auffrischimpfungen empfohlen. Für Diphterie und Tetanus zum Beispiel. Ab dem 60. Lebensjahr sollte man sich auch gegen Pneumokokken impfen lassen. Es gibt Impfungen gegen die Gürtelrose (Herpes Zoster) und man sollte jährlich ab 60 eine Grippeimpfung erhalten.

    Sollte man sich noch gegen COVID-19 impfen lassen?

    Man sollte auf jeden Fall darauf achten, dass die empfohlenen Grundimmunisierungen und Auffrischimpfungen für COVID-19 durchgeführt werden. Und das gilt insbesondere für Risikopatient:innen und ältere Menschen.

    Durch die Pandemie sind viele Routineimpfungen ausgefallen. Können die jetzt noch nachgeholt werden?

    Auf jeden Fall. Tatsächlich ist das diesjährige Motto der WHO-Impfkampagne „The Big Catch-Up“ – das große Nachholen. Jede verspätete Impfung ist besser als gar keine. Und wenn Sie sich unsicher sind, dann gehen Sie mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin noch mal den Impfpass durch. Jede Impfung zählt.

    Können Impfungen auch Nebenwirkungen haben?

    Tatsächlich haben das ja viele von uns auch während der Covid-Impfung oder der Grippeimpfung erlebt. Tatsächlich, wenn der Körper sich mit einem Impfstoff auseinandersetzt, kann es zu Reaktionen kommen. Zum einen an der Einstichstelle, Rötung, Schmerz, Überwärmung, aber auch generalisierte Symptome, zum Beispiel grippeähnliche Symptome oder Kopfschmerz, Müdigkeit, Abgeschlagenheit. Das sind alles Reaktionen, die zeigen, dass sich das Immunsystem mit dem Impfstoff auseinandersetzt. Diese Reaktionen sind in den allermeisten Fällen vorübergehend und nicht schwerwiegend.

    Woran arbeiten Sie gerade in Ihrem Institut für Impfstoffentwicklung?

    Wir arbeiten derzeit in unserem Institut an drei verschiedenen Impfstoffen. Zum einen handelt es sich hier um zwei vorbeugende Impfstoffe für Emerging Infections, also neu oder wieder auftretende Erkrankungen. Das ist zum einen ein Impfstoff gegen MERS, das Middle East Respiratory Syndrome, das wird verursacht von einem anderen Corona-Virus oder verwandten Corona-Virus zu SARS-CoV-2. Dieses Corona-Virus ist nicht so ansteckend wie SARS-CoV-2, aber hat dafür eine höhere Mortalität bei den Infizierten. Es taucht vor allem in der Arabischen Peninsula auf, Saudi-Arabien. Zum zweiten forschen wir an einem Ebola-Impfstoff, dem gleichen Ebola-Impfstoff, wo wir in der Entwicklung schon beteiligt waren. Da gibt es weitere Studien. Und der letzte Impfstoff, mit dem wir uns beschäftigen, ist ein Impfstoff, der zur Behandlung der chronischen Hepatitis B, also einer Leberentzündung, eingesetzt wird. Und diese Studie soll in den nächsten Wochen beginnen.

    Haben Sie noch eine Botschaft für uns?

    Impfungen haben dazu beigetragen, dass wir hier in Deutschland so leben können, wie wir jetzt leben. Es gibt keine Mütter und Babys mehr, die an Wundstarrkrampf bei der Geburt versterben, weil wir Tetanus geimpft sind. Wir sehen auch kaum noch Kinder, die im Rollstuhl sitzen oder an Krücken gehen, weil sie Kinderlähmung haben, weil es die Polio-Impfung gibt. Daher möchte ich auch Sie bitten, dass sie dazu beitragen und weiter dazu beitragen, dass wir Krankheiten, gegen die man impfen kann, hier in Deutschland und in der Welt ausrotten. Impfen schützt und jede Impfung zählt.

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