Leben retten

Der Schockraum ist das Herzstück jeder Notaufnahme. Mehrmals täglich kämpfen hier Ärztinnen, Ärzte und weiteres medizinisches Fachpersonal um das Überleben von schwer verletzten oder schwer kranken Patientinnen und Patienten. Alles muss schnell gehen und jeder Handgriff sitzen. Wer hier arbeitet, benötigt großes Fachwissen und starke Nerven.

Absolute Stille. Zu hören ist nur die Stimme des Notarztes, der gerade das Opfer eines schweren Verkehrsunfalls mit dem Rettungshubschrauber ins UKE gebracht hat. Kein wirres Durcheinander, keine Zwischenfragen im Schockraum der Notaufnahme. Hochkonzentriert folgt das neunköpfige Team aus Ärzten und Pflegenden den Ausführungen des Notfallmediziners und schaut gebannt auf den kleinen Menschen, der – mit Stofftieren im Arm – vor ihnen auf der Krankentrage liegt. Ein Mädchen, neun Jahre alt, mit Schürfwunden und Prellungen, der linke Arm geschient. Sie ist bei Bewusstsein, eine Ärztin streichelt behutsam ihre Hand, um sie zu beruhigen.

 Schockraum
Anika Schnadhorst
Gesundheits- und Krankenpflegerin

Währenddessen läuft die Zeit. Zehn Minuten hat das Team für Diagnose und Erstversorgung. Während der Chirurg den kleinen Körper vorsichtig nach Brüchen abtastet und ultraschallt, kümmert sich der Anästhesist um die Stabilisierung der jungen Patientin. Zwei Pflegekräfte verbinden offene Wunden und nehmen Blut ab. Parallel dazu entscheidet sich die Neurologin in Absprache mit den zwei anwesenden Kinderärzten zu einer Computertomographie (CT), um innere Verletzungen in Folge des schweren Aufpralls auszuschließen. Jeder hier im Raum weiß genau, was zu tun ist. Keine Spur von Hektik.

Uta Zdzieblowski
Gesundheits- und Krankenpflegerin

Die Nerven bewahren

Fokussiert und ruhig bleiben in jeder Situation – dies gilt für alle Notfälle, die im Schockraum landen. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um einen Unfall handeln. Auch bei Verdacht auf Schlaganfall, Herzinfarkt und Hirnblutung oder bei schwerer Atemnot werden Patienten im Schockraum erstversorgt. Die meisten kommen über einen der Rettungsdienste ins UKE. „Zuvor erhalten wir einen Anruf der Rettungsleitstelle, die die Informationen des Notarztes vor Ort an uns weitergibt“, erklärt Uta Zdzieblowski, die seit 37 Jahren in der ZNA als Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet. Direkt nach dem Anruf kontaktiert die diensthabende Schockraum-Pflegekraft die betreffenden Fachrichtungen, die innerhalb weniger Minuten im Schockraum sind, um den neuen Patienten schnellstmöglich zu versorgen.

Das UKE verfügt über zwei Schockräume und zwei Eingriffsräume, für die je Dienst zwei Unfallchirurgen sowie zwei bis drei Internisten bereitstehen. Je nach Fall werden Neurochirurgen, Neurologen, Kardiologen, Herzchirurgen, Pädiater oder Anästhesisten hinzugerufen. Was einen Schockraum von einem herkömmlichen Behandlungszimmer unterscheidet? „Schockräume sind mit modernsten Apparaten wie Beatmungsmaschinen oder Infusionsgeräten ausgestattet. Hier ist alles griffbereit – vom Verbandsmaterial über Notfallmedikamente bis zum CT-Gerät“, schildert die erfahrene Notfallpflegerin. Und wie geht man menschlich damit um? „Sehr unterschiedlich“, antwortet Zdzieblowskis Kollegin Anika Schnadhorst, die seit zwei Jahren in der ZNA dabei ist. „Gerade bei Kindern muss ich manchmal wirklich schlucken. Doch es überwiegt das Gefühl, helfen zu wollen, und am Ende bin ich immer froh, dass ich für die Patienten da sein konnte.“

Das kleine Mädchen, das sie nach dem Autounfall im Schockraum mitbehandelte, übersteht den Aufprall glücklicherweise ohne schwerere Verletzungen und wird kurze Zeit später ins Kinder-UKE verlegt. Viel Zeit zum Durchatmen bleibt der Pflegerin und ihren Kollegen nicht. Schon wieder klingelt das Telefon, der nächste Notfall ist bereits auf dem Weg – und das Schockraum-Team erneut im Einsatz.

Text: Nicole Sénégas-Wulf Fotos: Axel Kirchhof

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