Mit der ersten Nierentransplantation am 2. Februar 1970 wurde am UKE ein Meilenstein in der Hamburger Medizingeschichte gesetzt.
Neun Monate lang hatte sich ein Spezialistenteam des Hamburger UKE auf eine völlig neue Operation vorbereitet. Noch war die Transplantation einer Niere von einem Spender auf einen Empfänger medizinisches Neuland. Zwar gab es erfolgsversprechende Erfahrungen aus dem Ausland und auch aus deutschen Kliniken, aber für Hamburg begann die Geschichte der Nierentransplantation im Winter 1970. Ein 25jähriger Mann war nach einem schweren Verkehrsunfall ins Krankenhaus eingeliefert worden, lediglich eine Herz-Lungen-Maschine hielt ihn noch künstlich am Leben. Alle Versuche, ihm zu helfen, waren erfolglos geblieben. Noch war das Wort „Organspende“ ungewohnt, aber die Eltern des jungen Mannes gaben ihre Einwilligung und somit einem Unbekannten die Hoffnung auf ein zweites Leben. Dem Empfänger, einem 28 Jährigen, mussten 15 Monate zuvor beide nicht mehr arbeitsfähigen Nieren entfernt werden. Seitdem wartete der junge Handwerker an der Dialyse auf eine Organspende. Nach diversen Blut- und Gewebetests stand fest: Spenderorgan und Empfänger passten zueinander. Damit lief die lang vorbereitete Maschinerie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf an. Aus Theorie wurde Praxis. Ein 28-köpfiges Team unter der Leitung von Prof. Dr. Herbert Klosterhalfen, dem damaligen Direktor der Urologischen Klinik, operierte fünf Stunden lang. Die Operation gelang, unmittelbar nach der Operation nahm das Spenderorgan im neuen Körper seine Arbeit auf.
Der Weg bis zur ersten erfolgreichen Nierentransplantation war lang und steinig. Das gesamte 20. Jahrhundert war geprägt von medizinischem Pioniergeist, einem kontinuierlichen Forschungsprozess und beharrlichen Versuchen – aber immer auch wieder von Rückschlägen und Erfolglosigkeit. Erst 1954 gelang die erste, auch langfristig erfolgreiche Operation in den USA, eine Nierentransplantation unter eineiigen Zwillingsbrüdern. Das Transplantat hielt acht Jahre. Die in den 1960er Jahren aufkommende Immunsuppression erlaubte später die Transplantation bei genetisch nicht identischen Patienten. 1963 erfolgte dann die erste Nierentransplantation in der BRD. Medizinisch-technischer Fortschritt, neue operative und medikamentöse Strategien und wachsende Erfahrung machen die Nierentransplantation heute zu einem Standardverfahren. Nachdem mittlerweile die chirurgisch-technischen Probleme weitestgehend als gelöst gelten können, hat sich in den letzten Jahrzehnten die Forschung auf die Beherrschung des immunologischen Problems der Abstoßungsreaktion konzentriert. Ziel ist hier eine „maßgeschneiderte“ individuelle Immunsuppression.
Nach wie vor wird das Thema „Organspende“ von einem Missverhältnis zwischen der wachsenden Zahl von Menschen auf den Wartelisten und der ungenügenden Anzahl von Spenderorganen geprägt. Herausforderung für die Zukunft ist daher neben der Neuregelung der Organspende die Erweiterung des Spenderpools. Ein Mittel hierzu ist die immer bedeutsamer werdende Nieren-Lebendspende. Hier können Verwandte, Ehepartner und enge Bezugspersonen einem Patienten eine ihrer beiden Nieren spenden. Die Vorteile: eine deutlich kürzere Wartezeit auf das Organ und häufig ein optimaler Operationsablauf mit kürzeren Transferzeiten für das Spenderorgan sowie eine sehr gute Organqualität mit der Hoffnung auf bessere und längere Transplantatfunktion. Die Spender werden gründlich untersucht und die Transplantation kann individuell geplant werden. Rund 20 % aller Nierentransplantationen am UKE sind mittlerweile Lebendspenden. Mittlerweile können Nierentransplantationen nach Lebendspende mit entsprechender Vorbereitung des Empfängers im UKE auch routinemäßig sogar über die Blutgruppengrenzen hinweg ermöglicht werden (sog. AB0-inkompatible Transplantation). Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Immunsuppression sind sicherlich auch sogenannte „Cross-over-Spenden“ (Spenderpaare spenden bei immunologischen Hürden innerhalb der Paare überkreuz füreinander), die Xenotransplantation tierischer Organe sowie die technische Weiterentwicklung künstlicher Organe aus Stammzellen als herausfordernde Zukunftsthemen zu nennen.
Eine Nierentransplantation ist nach wie vor das beste Nierenersatzverfahren für dauerhaft dialysepflichtige Patienten. In rund 90 % der Fälle ist eine Nierentransplantation sofort erfolgreich und verhilft Menschen zu deutlich mehr Lebenszeit und Lebensqualität. Nicht zuletzt, da die zermürbenden halbtägigen Dialysebehandlungen an mindestens drei Tagen in der Woche entfallen.
Auch wenn es bei der Premiere am 2.2.1970 nach zwei Tagen zu einer Abstoßungsreaktion kam und die Niere wieder entfernt werden musste - für den Fortschritt der Operationstechnik blieb der Eingriff ein Meilenstein. Hier begann der Weg, der das UKE zu einem der größten Nierentransplantationszentren in Deutschland werden liess. Ein Jahr später, 1971, erfolgte bereits die erste Kinder-Nierentransplantation. Operateur war hier ebenfalls Prof. Dr. Klosterhalfen. Mit der ersten Nierenlebendspende in Hamburg setzte er zudem 1976 einen weiteren Grundstein der heutigen Transplantationsmedizin am UKE.
Der damalige Appell von Prof. Dr. Klosterhalfen an die Hamburger Öffentlichkeit ist heute genauso aktuell wie 1970: „Geben Sie uns die Einwilligung zu Organverpflanzungen, wenn Angehörige plötzlich an den Folgen eines Verkehrsunfalls oder eines Gehirnschlags sterben. Die Organspende gibt uns die Möglichkeit, kranken Mitbürgern zu helfen, die dringend ein neues Organ brauchen.“ 1970 befanden sich 38 Menschen auf der Hamburger Nieren-Warteliste – heute sind es bereits 370, Tendenz steigend.