Fragen an die Infektiologin
Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie der I. Medizinische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Themen Impfstoffentwicklung, Studien zu Behandlungsmöglichkeiten und einem möglichen Antikörpertest.
Wie wird ein Impfstoff hergestellt?
Um einen Impfstoff herstellen zu können, muss ein Erreger zunächst sequenziert werden, das heißt sein Fingerabdruck muss bestimmt werden. Erst danach kann man sich auf die Suche nach einem Impfstoff machen. Beim aktuellen SARS-CoV2 ist dies bereits wenige Tage nach dem Ausbruch gelungen.
Welche verschiedenen Arten von Impfstoffen gibt es?
Es lassen sich im Wesentlichen drei Typen unterscheiden: Totimpfstoffe, Lebendimpfstoffe und genbasierte DNA oder mRNA-Impfstoffe. Die Forschergruppe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, in der das UKE beteiligt ist, nutzt für die Entwicklung eines Impfstoffs sogenannte Virale Vektor-Vakzine-Plattformen. Dies ist eine Art Baukastensystem, dabei werden ungefährliche Viren mit einem Antigen des neuen Virus kombiniert.
Wie wird ein neuer Impfstoff getestet?
Zunächst wird ein neuer Impfstoff im Labor getestet. Dort wird geprüft, wie wirksam der Impfstoff ist und wie lange die Wirksamkeit anhält. Erst wenn diese präklinischen Tests abgeschlossen sind, folgen klinische Studien mit Menschen; zunächst mit wenigen gesunden Freiwilligen, später dann mit einer größeren Anzahl Probanden. Bevor diese klinischen Tests durchgeführt werden können, prüfen das Paul-Ehrlich-Institut und die Ethikkommission die entsprechenden Anträge. Nur in Ausnahmefällen kann mit den klinischen Studien bereits begonnen werden, bevor die präklinischen Tests abgeschlossen worden sind.
Wie weit ist das UKE mit der Entwicklung eines Impfstoffs?
Derzeit werden die formalen Anträge gestellt. Das Impfvirus ist von den Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München bereits hergestellt. Jetzt muss es noch vermehrt und dann im Labor getestet werden. Unsere Impfstoff-Studien werden vermutlich erst in der zweiten Jahreshälfte starten. Bis Ende des Jahres wird es vermutlich noch dauern, bis die ersten menschlichen Probanden geimpft werden können.
Wann wird ein Impfstoff zur Verfügung stehen?
Die ersten Impfstoffstudien im Menschen haben im März in den USA begonnen, in Deutschland sind die ersten Studien am Menschen im Juni geplant. Für die aktuelle Corona-Infektionswelle wird ein Impfstoff noch nicht verfügbar sein.
Am UKE soll das Ebola-Medikament Remdesivir bei der Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten eingesetzt werden. Wer bekommt das Medikament?
Das UKE gehört weltweit zu den mehr als 50 Zentren, die untersuchen, ob das Mittel Remdesivir wirksam ist. Es soll stationären Patienten mit verschiedenen Erkrankungsverläufen verabreicht werden.
Wann sollen erste Ergebnisse der Studie vorliegen?
Ende April sollten bereits erste Daten vorliegen, sodass eine Zwischenanalyse möglich sein könnte.
Gibt es noch andere Wirkstoffe, die bei der Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten eingesetzt werden könnten?
Für das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin liegen erste Daten vor. Bislang ist aber noch offen, ob und wie wirksam das Mittel ist. Auch andere Substanzen sind in klinischen Studien. Vielversprechend erscheinen in der Zukunft auch Antikörper, die man Patienten verabreichen könnte, um das Virus anzugreifen.
Bietet das UKE Tests auf Antikörper an? Was kann mithilfe der Tests herausgefunden werden?
Nein, die Antikörpertests befinden sind noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. Das UKE bietet diese Testung für Patientinnen und Patienten derzeit noch nicht an, da sie momentan überprüft und optimiert wird.
Seit einiger Zeit wird in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen in Deutschland und international diese neuen Testmöglichkeiten auf das neuartige Corona-Virus entwickelt. Mithilfe dieser Tests kann man im Blut nach Antikörpern suchen. Für den Nachweis einer akuten Infektion sind sie nicht geeignet, weil die Infizierten schon ansteckend sind, bevor sie Antikörper bilden. Allerdings können mit den Tests wahrscheinlich überstandene Infektionen mit dem Corona-Virus nachgewiesen werden.
Fragen an die Infektiologin | 27.03.2020
Prof. Dr. Marylyn Addo – in diesem Interview werden folgende Fragestellungen von unserer UKE-Expertin beantwortet: Welche Medikamente gibt es aktuell zur Bahandlung von COVID-19-Patienten? Sind in Ihrer Station schon Patienten entlassen worden? Warum ist Social Distancing so wichtig? (Stand 27.03.2020)
Prof. Addo: Schon bei Ebola stand sie im Fokus
Von den Medien wird sie als „Ausnahmeforscherin“ und „Hamburgs Gesicht“ der Corona-Pandemie gewürdigt. Die Erwartungen an Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie der I. Medizinischen Klinik des UKE, sind hoch. Doch damit kann die Oberärztin gut leben. Souverän im Umgang mit Journalisten, widmet sie sich zusammen mit ihrem Team mit großer Akribie und Leidenschaft ihren eigentlichen Aufgaben: der bestmöglichen Versorgung von Menschen mit schweren Infektionserkrankungen, der Entwicklung neuer Test- und Behandlungsverfahren sowie der klinischen Prüfung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus.
Geboren wurde sie in Bonn; ihr Vater ist Ghanaer, ihre Mutter Deutsche. Sie studiere Medizin in Bonn, Straßburg und Lausanne und arbeitete unter anderem 14 Jahre an der Harvard Medical School in Boston. Seit 2013 ist sie am UKE und arbeitet eng mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin zusammen.
2014 stand Prof. Addo schon einmal im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Damals behandelte sie mit Dr. Stefan Schmiedel und viellen Kolleginnen und Kollegen im UKE und der Bundeswehr den ersten Ebola-Patienten in Deutschland und war anschließend maßgeblich an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Virus beteiligt, das vor allem in Westafrika grassierte.
Im
UKE-Geschäftsbericht 2014
haben wir eine Reportage über Prof. Addo veröffentlicht, die heute aktueller denn je zu sein scheint. Fotografiert haben wir die Infektiologin damals auf einem fast menschenleeren Hamburger Hauptbahnhof. Derzeit sieht es dort rund um die Uhr so oder ähnlich aus – damals mussten sich Frau Addo und die Fotografin ganz früh morgens verabreden, um eine solche Situation hinzubekommen.
Lesen Sie hier die Reportage von 2014 „Vernetzt im Kampf gegen Ebola“ über Prof. Dr. Marylyn Addo