Prof. Dr. Anke Diemert
Blick auf den Monitor

Zu heiß! Dann steigt das Risiko für Frühgeburten

Mit den Temperaturen steigt nicht nur der Meeresspiegel, sondern auch die Zahl der späten Frühgeburten. UKE-Wissenschaftler:innen sind besorgt. Denn jeder Tag zu früh bedeutet ein höheres Risiko für gesundheitliche Probleme im späteren Leben.

Der Tag, an dem Hoch „Jürgen“ den Hitzerekord in Hamburg knackte, war Mittwoch, der 20. Juli 2022: Der Wind hatte bereits seit Tagen heiße Luft aus Afrika Richtung Norden gepustet, jetzt zeigte das Thermometer 40,1 Grad im Schatten an – 17 Grad über der üblichen Juli-Durchschnittstemperatur. Heißer Saharastaub statt sanfter Sommerregen. Der Klimawandel hatte die Tropen an die Elbe gebracht.

Solche Tage belasten die Gesundheit. Mit den Temperaturen steigt die Zahl der Patient:innen, die über Herzrasen und Erschöpfung klagen, auch Kreislaufkollapse und Hitzeschläge nehmen zu. Bisher hatten Mediziner:innen vor allem alte und kranke Menschen im Blick. Doch jetzt zeigt eine aktuelle Studie aus dem UKE: Es trifft bereits die Kleinsten – die Feten im Mutterleib. „Mit jedem extremen Hitzetag und jedem extra Grad steigt das relative Risiko einer Frühgeburt“, sagt Prof. Dr. Petra Arck, Forschungsdekanin am UKE und Leiterin des Labors für Experimentelle Feto-Maternale Medizin in der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin. Die Ursache liegt auf der Hand – es ist purer Stress, Hitzestress! Er entsteht, wenn die werdende Mutter ihre ganze Kraft darauf verwendet, um ihren Körper und den ihres ungeborenen Babys zu kühlen und gleichzeitig zu versorgen. Außergewöhnlich intensive, über mehrere Tage andauernde Hitzeperioden können dabei das Frühgeburtenrisiko erheblich steigern.

Prof. Arck
Prof. Arck im Labor

Ihre Erkenntnisse hat das Team um die Professorinnen Petra Arck und Anke Diemert auch aus der Langzeitstudie PRINCE (Prenatal Identification of Children‘s Health). Sie erforschen dort seit 2011, wie sich der Lebensstil einer werdenden Mutter auf die spätere Gesundheit ihres Kindes auswirkt. Vorgeburtliche Prägung heißt das Forschungsgebiet, das für den Werdegang der Kinder von elementarer Bedeutung ist. Die Mediziner:innen beobachten die Entwicklung der Kinder, schicken Fragebögen an die Eltern und untersuchen die Mädchen und Jungen. Ziel der Anstrengungen: Die Forschenden wollen molekulare Mechanismen entschlüsseln, mit denen bereits vor der Geburt die Grundlagen für mögliche spätere Erkrankungen gelegt werden und darauf aufbauend Präventionsstrategien entwickeln.

Das Immunsystem spielt bei den Forschungen eine gewichtige Rolle: Leidet ein PRINCE-Kind unter Asthma oder an Allergien und hat immer wieder Infekte? Dann gehen die Wissenschaftler:innen zurück bis in die Schwangerschaft der Mutter, deren Verlauf sehr detailliert in einer Datenbank dokumentiert ist. Dort suchen sie nach einem „First Hit“ – einem ersten Treffer, einem Ereignis oder einer Vorgeschichte, die Auslöser für eine Fehlprogrammierung der Abwehrzellen gewesen sein könnten. Wie war die Ernährung in der Schwangerschaft? Gab es Komplikationen wie etwa Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck? Musste die Schwangere Medikamente nehmen – wenn ja, welche? Insgesamt gibt es zahlreiche Faktoren, die die Entwicklung eines Kindes beeinflussen können. „Bereits wenige Wochen nach der Befruchtung bilden sich alle Organe und auch das Immunsystem heraus. Das ist ein sehr dynamischer Prozess, der sich bis zur Geburt hinzieht und anfällig für Störungen ist“, sagt Arck.

Stress kann ebenfalls eine Kaskade an Störungen auslösen, auch Stress durch Hitze: „Bisher wurde das Phänomen meist nur bei Frauen, die in sehr heißen Gegenden leben, untersucht. Doch in gemäßigten Wärmeregionen wie Hamburg? Das ist neu und hat uns sehr überrascht“, so Prof. Arck. Sie empfiehlt Frauen, die sich zwischen der 34. und 38. Schwangerschaftswoche befinden, bei anhaltend hohen Temperaturen möglichst die Sonne zu meiden, sich in klimatisierten Räumen aufzuhalten sowie viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen.

PRINCE-Kinder Untersuchung
Die PRINCE-Kinder werden regelmäßig untersucht
Prince Studie
Prince Studie
Prince Studie
Prince Studie

Gesundheitsolympiade für PRINCE-Kinder

800 Mütter und genauso viele Mädchen und Jungen nehmen an der Langzeitstudie PRINCE teil, die seit 2011 am UKE läuft. Die jüngsten Kinder liegen noch in der Wiege, die ältesten besuchen längst weiterführende Schulen. Bis zum zehnten Lebensjahr füllen ihre Eltern regelmäßig anonymisierte Fragebögen aus, in denen unter anderem nach Stillzeiten, Wachstum, Zahl der Infektionen und Unverträglichkeiten gefragt wird.

Ab dem fünften Lebensjahr sind die Kinder live dabei und nehmen an einer Gesundheitsolympiade teil, die das PRINCE-Team gemeinsam mit Kinderärzt:innen und Psycholog:innen entwickelt hat. Es gibt Konzentrationsspiele und spielerische Asthma- und Fitness-Tests. Spannend wird es, wenn eine Wärmebildkamera die Temperatur des Oberkörpers in bunten Farben anzeigt. So messen die Ärzt:innen das braune Fettgewebe, ein Marker für Übergewicht und Diabetes. Die kindgerechte Untersuchung dauert vier Stunden und liefert vielfältige Informationen über die Entwicklung der Kinder.

Weitere Informationen zur Studie: www.uke.de/prince

Text: Silvia Dahlkamp, Fotos: Axel Kirchhof