Die Welt mit neuen Augen sehen

Schleichend war die Welt kleiner geworden um Christiane Kröger. Eine fortschreitende Augenerkrankung hatte ihre Sehkraft immer weiter schwinden lassen. Seit einer Hornhauttransplantation im UKE kann die IT-Expertin wieder scharf sehen.

Eine Brille trug Christiane Kröger schon lange. Mit Anfang 30 war eine Kurzsichtigkeit bei der heute 62-Jährigen festgestellt worden, später korrigierte sie ihre beginnende Alterssichtigkeit mit einer Gleitsichtbrille. „Alle paar Jahre maß mein Augenoptiker die aktuellen Werte, und es wurden neue Gläser angefertigt“, erinnert sich die Programmiererin. Doch plötzlich ließen sich keine neuen Werte einstellen, ihr Sehen blieb verschwommen. Ein Augenarzt stellte nicht nur einen beginnenden grauen Star, eine Eintrübung der Linse, bei ihr fest, sondern auch die Fuchs’sche Endotheldystrophie – eine fortschreitende Augenerkrankung, bei der die Tränenflüssigkeit nicht mehr abtransportiert wird. Die Folge: Die Hornhaut quillt auf, und die Sehfähigkeit wird mit der Zeit immer geringer. Eine Anlage zu der Erkrankung wird vererbt.

Christiane Kröger
Christiane Kröger blickt optimistisch in die Zukunft

Christiane Kröger macht sich aber auch Gedanken, ob ihre Sehkraft zudem durch ihre langjährige Bildschirmtätigkeit gelitten haben könnte. „Ich arbeite schon seit 1983 am Computer. Gerade die kleinen und sehr grellen Bildschirme aus der Anfangszeit waren sicherlich nicht gut für meine Augen“, vermutet sie. UKE-Augenklinikdirektor Prof. Dr. Martin Spitzer kann sie diesbezüglich beruhigen: „Die Sorge ist unbegründet. Durch Bildschirmarbeit und individuelle Beanspruchung kommt es zu keiner Schädigung des Hornhautendothels.“

Um dem Aufquellen der Hornhaut entgegenzuwirken, bekommt Christiane Kröger zunächst Augentropfen, die den Abtransport der Tränenflüssigkeit befördern sollen. Doch schon bald ist klar, dass sie eine Hornhauttransplantation benötigen wird, um ihr Augenlicht zu erhalten. In ihrem Alltag schiebt sie das Problem erst einmal zur Seite. „Meine Augen haben morgens einige Zeit benötigt, bis ich einigermaßen scharf sehen konnte“, erinnert sie sich.

Christiane Kröger
Enge Verbundenheit zwischen Mensch und Tier

Bei ihrer Arbeit als Programmiererin vergrößert sie die Schriftanzeige am Computerbildschirm immer weiter. Doch irgendwann reicht auch das nicht mehr. Ende 2020 stelltsie sich in der Augenklinik des UKE vor. „Dort hat mir die Oberärztin gesagt: Sie haben nur noch zwanzig Prozent Sehkraft. Sie dürfen nicht mehr Auto fahren.“ Ein Schock für Christiane Kröger, die in der niedersächsischen Heide lebt. „Im Alltag bin ich in unserer ländlichen Umgebung auf das Auto angewiesen“,sagt sie. Und ihr Radius, in dem sie sich bewegt, droht sich noch weiter zu verringern. Denn auch beim Ausreiten mit ihrem geliebten Pferd Safira, das sie täglich vor ihrer Arbeit besucht, ist es unabdingbar, gut sehen zu können. „Man kann ein Pferd nicht nur striegeln und füttern, es braucht adäquate Bewegung und Training.“

Die Ärzt:innen setzen sie auf die Warteliste für eine Hornhauttransplantation. Für Christiane Kröger beginnt eine Zeit des Wartens und der Ungewissheit: Wird eine passende Gewebespende für sie gefunden werden? Wie wird die Operation verlaufen? Werden die Ärzt:innen ihr Augenlicht wieder herstellen können? Ein erster Operationstermin muss kurzfristig abgesagt werden – die Qualität der Hornhautspende reicht nicht aus. Auch bei einer zweiten bereits angesetzten OP ergibt die Untersuchung des Gewebes kurz vor dem geplantenTermin, dass die Spender:innenhornhaut nicht geeignet ist. Christiane Kröger bangt zwischen Enttäuschung und Hoffnung.

Ausritt hoch zu Pferde - sogar ohne Brille
Ausritt hoch zu Pferde - ganz ohne Brille

Beim dritten Operationstermin im Sommer 2021 schließlich entspricht das zur Verfügung stehende Gewebe den Ansprüchen für die Transplantation. Christiane Kröger wird ein ausgestanzter Teil des Endothels,der innersten Hornhautschicht, in ihr linkes Auge eingesetzt. Drei Tage lang muss sie danach ruhig auf dem Rücken liegen. Als am Tag nach dem Eingriff der Verband über dem Auge entfernt wird, kann sie zunächst nur verschwommen sehen. „Die Ärzt:innen haben mir jedoch gesagt, dass man nicht direkt nach der Operation wieder gut sehen kann, das hat mich beruhigt“, erzählt sie. Einige Wochen später klart das Sehen auf. Auf dem operierten Auge benötigt sie jetzt nicht einmal mehr ein geschliffenes Brillenglas: Zusammen mit der Spender:innenhornhaut ist ihr auch eine neue Linse ins Auge eingesetzt worden. „Ich konnte mir vor der OP aussuchen, ob bei dem Linsenaustausch meine Kurz- oder meine Weitsichtigkeit behoben werden soll“, berichtet sie begeistert. „Ich habe mich für die Kurzsichtigkeit entschieden.“ Einige Wochen lang trägt sie eine Schutzbrille, wenn sie zu ihrem Pferd in den Stall geht, um zu verhindern, dass Staubkörner ihr Auge reizen, danach funktioniert das Auge mit der neuen Hornhautschicht normal. Täglich wendet Christiane Kröger Cortisontropfen an, um Entzündungsreaktionen des Auges und eine Abstoßung des Transplantats zu verhindern.

Ein halbes Jahr später steht auch für ihr rechtes Auge eine geeignete Hornhaut zur Verfügung. Nun kennt Christiane Kröger die Abläufe bereits und freut sich darauf, bald wieder gut sehen, reiten und Auto fahren zu können. Wie die erste Operation verläuft auch die zweite reibungslos. Bereits einige Tage nach der OP kann Christiane Kröger nach Hause entlassen werden. Ein Sehtest einige Monate später im UKE ergibt: Auf dem rechten Auge hat sie hundert Prozent Sehkraft, auf dem linken nahezu hundert. Ihr gewohntes Leben kann Christiane Kröger nun weiterführen – ob die tägliche Arbeit am Computer, Erledigungen mit dem Auto oder der Ausritt hoch zu Pferde. Alles sogar ohne Brille. Ein wenig lichtempfindlicher sind ihre Augen, und Cortison muss sie weiter nehmen, inzwischen aber nur noch wenige Augentropfen. „Ich darf sogar wieder Wimperntusche benutzen“, strahlt sie.

Einen Organspendeausweis hatte die Niedersächsin bereits vor ihrer Transplantations-OP ausgefüllt. Ihre eigene Krankheitsgeschichte hat ihr noch einmal verdeutlicht, wieviel Lebensqualität und Glück es für jemand anderes bedeuten kann, einer Organspende uneingeschränkt zuzustimmen, was auch die Spende von Gewebe wie der Hornhaut des Auges umfasst. „Eigentlich wäre es gut, wenn jede:r Organspender:in wäre“, sagt sie.

STICHWORT

Organspende Hornhaut

  • Hornhaut gehört zu den Geweben, deren Spende mittels Organspendeausweis möglich ist. Dafür muss das erste Kästchen angekreuzt werden: „Ja, ich gestatte, dass nach der ärztlichen Feststellung meines Todes meinem Körper Organe und Gewebe entnommen werden“.
  • Hornhäute können bis zu 72 Stunden nach dem Tod entnommen werden. So bleibt Hinterbliebenen genügend Zeit, die Entscheidung zu treffen, jemandem mit dem Gewebe der:des verstorbenen Angehörigen das Augenlicht zu retten. Verstorbenen können stattdessen Glasprothesen eingesetzt werden.
  • Spender:innengewebe wird nicht sofort transplantiert, sondern in einer Gewebebank konserviert und aufbereitet. Bis zur Operation sind mehrere Wochen Zeit. Eine sorgfältige Untersuchung des Gewebes verhindert, dass durch das Transplantat Krankheitserreger übertragen werden.

Text: Katja Strube; Fotos: Ronald Frommann