Geschichte des Instituts
Anders als an alten Universitäten, bei denen sich die Physiologie als eigenständiges Lehr- und Forschungsfach aus den traditionellen Fächern der Medizin im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte, wurde 1913 in Hamburg ein Physiologisches Institut gegründet, noch ehe eine Universität bestand. Das Allgemeine Krankenhaus Eppendorf (AKE) begründete den Antrag auf Einrichtung eines Physiologischen Instituts gegenüber der Hamburger Bürgerschaft damit, dass „die Physiologie doch recht eigentlich die medizinische Zentralwissenschaft“ sei, und dass es bedauerlich sei, dass einem solch großen Krankenhaus kein „mit allen physiologischen Methoden vertrauter Arzt gereiften Urteils zur Verfügung“ stehe. Am 21. Januar 1913 erkannte die wissenschaftliche Abteilung des Medizinalkollegiums für das AKE den Bedarf der Einrichtung eines Laboratoriums für Physiologie an, dem ein Physiologe vorstehen sollte.
Als erster Direktor wurde 1913 der Heidelberger Physiologe Prof. Dr. Otto Cohnheim (1873 – 1953) berufen, der sich seit 1917 Kestner nannte. Er war ein Sohn des berühmten Pathologen Julius Cohnheim und hatte sich auf dem Gebiet der Verdauungsphysiologie international ausgewiesen – u.a. entdeckte er die Enzyme Erepsin und Trypsin. Noch vor der Gründung der Universität 1919 beteiligte sich Kestner mit anderen Eppendorfer Professoren an Vorlesungen und Praktika für Rückkehrer aus dem 1. Weltkrieg, die, da mittellos, nicht in die traditionellen Universitätsstädte gehen konnten, um ihr Studium fortzusetzen bzw. neu aufzunehmen. Die Veranstaltungen wurden von der Reichsregierung und der preußischen Regierung als ein Semester des Medizinstudiums anerkannt. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Kestner, erst 61jährig, zum 30. Juni 1934 zwangsemeritiert.
Unter der Leitung seines Nachfolgers Rudolf Mond (1894 – 1960) verlagerte sich der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit im Institut auf die Membranphysiologie. Mond und seine Mitarbeiter erwarben sich große Verdienste um die Aufklärung der Transportprozesse an der Erythrozytenmembran. Während des 2. Weltkriegs bewältigte Mond die Unterrichts- und Prüfungsverpflichtungen nahezu allein. Unmittelbar nach dem Krieg, von 1945 bis Oktober 1946, war er Dekan der Medizinischen Fakultät und Ärztlicher Direktor des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE). Mit großem Geschick steuerte er die Belange der Medizinischen Fakultät durch die Wirren der damaligen Zeit. 1951 leitete er als Vorsitzender den 19. Kongress der Deutschen Physiologischen Gesellschaft in Hamburg. Mond plante und organisierte den Neubau des Instituts, der 1959 bezogen werden konnte.
1962 wurde Hans Reichel zum neuen Ordinarius für Physiologie und Direktor des Instituts berufen. Er hatte sich auf den Gebieten der Muskel- und Kreislaufphysiologie ausgewiesen und den künstlichen Winterschlaf, welcher später in der Herzchirurgie praktische Verwendung fand, wissenschaftlich begründet. Unter Reichel wurden 1972 vier Abteilungen am Institut gegründet: die Vegetative Physiologie geleitet von Hans Reichel, die Neuro- und Sinnesphysiologie (Leitung Burkhart Bromm bis 2002), die Angewandte Physiologie (Leitung Adolf Bleichert) und die Zellphysiologie (Leitung Karl Baumann). Die Leitung der Abteilung für Vegetative Physiologie übernahm 1981 Ulrich Peiper, dessen wissenschaftlicher Schwerpunkt die Muskelphysiologie und hier insbesondere die Erforschung der Kontraktionskinetik des glatten Muskels war.
1998 trat Heimo Ehmke die Nachfolge von Ulrich Peiper als Leiter der Vegetativen Physiologie an. Im Rahmen der Zentrenbildung am UKE wurden die physiologischen Abteilungen im Juli 2002 überführt in eigenständige Institute. Im Jahr 2003 wurde das Institut für Zellphysiologie nach Emeritierung von Manfred Vonderlage aufgelöst, und nach Emeritierung von Jürgen Schwarz im Jahr 2006 ging das Institut für Angewandte Physiologie in den zwei verbleibenden Instituten für Vegetative Physiologie (Leitung Heimo Ehmke) und Neurophysiologie (Leitung Andreas K. Engel seit 2002) auf. Entsprechend der neuen Forschungsausrichtung wurde das Institut für Vegetative Physiologie im Jahr 2011 umbenannt in „Institut für Zelluläre und Integrative Physiologie“.
(für weitere Informationen bis zum Jahr 1989 s. „Physiologisches Institut – Ein Schritt vom AKE zum UKE vor 75 Jahren“ von Ekkehart Rumberger und Diana Hünerbein, Seiten 348 – 352 in „100 Jahre: Universitäts-Krankenhaus Eppendorf - 1889 – 1989“ hrsg. von Ursula Weisser, Tübingen: Attempto-Verl., 1989)