„Corona hat mich beinahe umgebracht“

Srbislava Bunge, 55, Betreuungskraft aus Hamburg

„Ich arbeite als Alltagsbegleiterin in einem Pflegeheim, seit Ende September bin ich wieder in Vollzeit für die Bewohner da. Ich möchte den Menschen schöne Stunden bereiten. Wir singen zusammen, spielen Schach, gehen spazieren, ich lese vor. Zu meinen Aufgaben gehört auch die Sterbebegleitung. Zum Glück habe ich im Heim niemanden angesteckt, das war meine größte Sorge.

Eine Woche vor Ostern 2020 hatte es angefangen: Unwohlsein, Fieber, das schnell auf 40 Grad stieg. Eine Ärztin kam zum Corona-Test ins Haus, das Ergebnis zwei Tage später: negativ. Da konnte ich schon nicht mehr stehen, bekam kaum Luft, aber ich wollte auf keinen Fall ins Krankenhaus. Als nichts mehr ging, haben meine Tochter Jovana Jovana Miloradovic und ihr Freund mich ins nächstgelegene Krankenhaus gefahren. Vorher musste ich erstmal die Treppe zwei Stockwerke hinunterschaffen. Wir haben einen Hocker mitgenommen, so konnte ich zwischendurch Atem holen. Im Krankenhaus wurde ich wohl umgehend künstlich beatmet, habe nur noch gehört, wie eine Pflegerin sagte, dass ich besser meinen Ring abnehmen sollte. Den habe ich später bei der Reha in meiner Tasche wiedergefunden. Ich hatte ein komplettes Lungen- und Nierenversagen, ich war tot. Man verlegte mich ins UKE, wo die ECMO, ein Lungenersatzverfahren, angewandt wurde. Zwei Wochen wurde ich maschinell beatmet, danach noch zwei Wochen auf der Intensiv- und der Normalstation versorgt.

Hatte ich einen Unfall? Bin ich im Himmel? Wenn man aus dem Koma langsam aufwacht, hat man verrückte Träume und muss sich ganz neu sortieren. Ich konnte nicht sprechen, die Arme nicht bewegen. Und ich wollte duschen! Zurück auf der Normalstation hat mich eine Krankenschwester morgens um 5 Uhr auf meinen Wunsch mit dem Rollstuhl ins Bad geschoben und geduscht. Ich kann gar nicht beschreiben, was das für mich bedeutete.

Die Reha war eine Quälerei, aber ich habe kräftig trainiert, um meine Kraft, Beweglichkeit und Atmung zu verbessern. In St. Peter-Ording durfte ich auch endlich meine Tochter wiedersehen. Während der Reha hat sich die Haut an meinen Händen und Füßen abgelöst. Richtig schlimm aber war danach der Haarausfall, ein Alptraum. Meine Haare sind zum Glück nachgewachsen und heute so voll wie immer. Neu ist, dass sie jetzt leicht gelockt sind.

Mir geht es insgesamt gut und jeden Tag ein bisschen besser. Ich hoffe, dass wir uns bald alle wieder ohne Maske begegnen können. Ich möchte das ganze Gesicht ansehen, wenn jemand lächelt, nachdenklich oder traurig ist.

Seit zwei Jahren lebe ich mit einer schweren Krebserkrankung, drei Mal wurde ich operiert. Aber Corona hat mich beinahe umgebracht. Dass es nicht so weit gekommen ist, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit: Ich habe nicht nur die beste Therapie, sondern auch so viel Herzlichkeit im UKE erfahren. Zum Abschied hatten mir die Schwestern der Intensivstation eine Art Tagebuch geschenkt, es sind Kopien ihrer Behandlungsberichte. Darin steht: „Wir unterstützen Ihre Genesung mit allen Kräften.“ Und auch: „Liebe Frau Bunge, ich habe Sie die letzten drei Nächte betreut. Sie haben auch schon selbst geatmet und sehr entspannt geguckt. Machen Sie weiter so!“ Da habe ich geweint.“



Aufgezeichnet von: Ingrid Kupczik
Foto: Eva Hecht