Eine normale Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Kinder, die vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, werden als Frühgeborene bezeichnet. Bei Geburtsgewichten von weniger als 1500g spricht man von sehr kleinen Frühgeborenen. Bei etwa einem Viertel bis zu einem Drittel dieser viel zu früh geborenen Kinder treten gesundheitliche Probleme auf. Das bedeutet auch, dass mehr als die Hälfte ohne ernsthafte Folgeschäden überlebt.
Ab wann spricht man von einer Frühgeburt? Wann dürfen Frühchen die Klinik verlassen? Und was kann man machen, wenn ein Baby zu früh auf die Welt kommt? Antworten auf diese und andere Fragen rund um das Thema Frühgeburt erhalten Sie im folgenden Video. Zusätzlich können Sie Ihr Wissen mit dem Fact Sheet vertiefen.
[Film zur Erkrankung]
Die normale Schwangerschaftsdauer beträgt 38 bis 42 Wochen. Das normale Geburtsgewicht eines Kindes liegt zwischen 2700 und 4300 g. Neugeborene, die vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, werden als Frühgeborene bezeichnet. Bei einem Geburtsgewicht unter 1500 g spricht man von „sehr kleinen Frühgeborenen“.
In den westlichen Industrienationen werden derzeit ca. 10% der Neugeborenen vor der 37. Schwangerschaftswoche und damit zu früh geboren. Noch einmal 10% davon kommen sogar vor der 30. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von unter 1500g zur Welt.
Für Deutschland bedeutet das, dass jedes Jahr ca. 70.000 Kinder zu früh geboren werden, darunter etwa 7.000 als sehr kleine Frühgeborene.
Die Rate der Frühgeburtlichkeit nimmt langsam, aber stetig zu. Dies liegt einerseits daran, dass Frauen heutzutage in einem höheren Alter schwanger werden und andererseits daran, dass Behandlungen bei Unfruchtbarkeit stärker in Anspruch genommen werden.
Die 22. bis 23. Schwangerschaftswoche kennzeichnet die sogenannte Grenze der Lebensfähigkeit. Vorher kann das Kind, vor allem aufgrund der noch nicht ausreichend entwickelten Lunge, nicht überleben. Ab der 24. Schwangerschaftswoche besteht mit großen nationalen Unterschieden eine Überlebensrate von bis zu 80%.
Die wichtigsten Gründe für eine Frühgeburt sind einerseits Infektionen, andererseits ein Wachstumsstillstand des Babys.
Infektionen kommen zustande, wenn Keime den Geburtskanal hoch wandern. Wenn die Keime die Fruchtblase erreichen und besiedeln, kann die Fruchtblase platzen. Dies führt zur Auslösung von Wehen.
Es kann auch zu einer Minderversorgung des Babys im Bauch kommen. Diese kann durch Rauchen oder Bluthochdruck mitbedingt sein. Das Kind wird per Kaiserschnitt geholt, wenn das Risiko außerhalb des Mutterleibs aufgrund der Frühgeburtlichkeit geringer ist als das Risiko im Mutterleib aufgrund der Unterversorgung.
Risikofaktoren für eine Frühgeburt sind Fehl- und Frühgeburten in vorangegangenen Schwangerschaften, eine im Ultraschall festgestellte Verkürzung des Gebärmutterhalses in der aktuellen Schwangerschaft (die evtl. durch einen kleinen operativen Eingriff mittels einer sog. Cerclage behandelt werden kann), Mehrlingsschwangerschaften sowie sozioökonomische Faktoren.
Bei den sehr kleinen Frühgeborenen steht die Unreife der Lunge im Vordergrund. Früher kam es deswegen zum sogenannten Atemnotsyndrom, und noch zur Mitte des 20. Jahrhunderts sind die meisten sehr kleinen Frühgeborenen praktisch "erstickt". Heutzutage gibt es Medikamente, mit denen man das Atemnotsyndrom erfolgreich behandeln kann. Weitere Komplikationen können Hirnblutungen sein, die Folgeschäden wie zum Beispiel Lähmungen hervorrufen können. Hinzu kommt eine bei sehr kleinen Frühgeborenen nicht seltene Sehverschlechterung.
Ab der 30. Schwangerschaftswoche und kurz vor der 37. Schwangerschaftswoche, bei den sog. späten Frühgeborenen, steht nicht mehr die Unreife, sondern der Mangel an Reserven im Vordergrund. Das heißt, dass die Babys über zu wenig Stärkespeicher, Fettreserven und Immunglobuline verfügen, sodass sie u.a. durch Unterzuckerung, Unterkühlung und Infektionen gefährdet sind.
Bei einem Viertel bis einem Drittel der sehr kleinen Frühgeborenen kommt es im weiteren Verlauf zu schweren Behinderungen. Allerdings heißt das auch, dass mehr als 50% der Kinder ohne ernsthafte Folgeschäden überleben. Voraussetzung für diese gute Prognose war die Gründung von sogenannten Perinatalzentren. Hier arbeiten unterschiedliche medizinische Fachdisziplinen (Pränatalmedizin, Geburtshilfe, Neonatologie und weitere) unter einem Dach eng zusammen.
Die Frühgeborenenmedizin hat in den letzten Jahrzehnten einen grundlegenden Wandel vollzogen – weg von einer Apparate-geprägten Intensivmedizin, hin zu einer sanften, entwicklungsfördernden Betreuung. Grundprinzip ist das „minimal handling“, d.h. dass ein Frühgeborenes nur diejenigen medizinischen Maßnahmen erhält, die es wirklich braucht.
Unabdingbar ist die Wärmetherapie, die durch moderne Brutkästen, sog. Inkubatoren, gewährleistet wird. Um den Eltern-Kind-Kontakt zu fördern, werden aber auch die kleinsten Frühgeborenen heutzutage oft für viele Stunden auf den nackten Oberkörper der Mutter oder des Vaters gelegt. Diese „Känguruhpflege“ gewährleistet eine ebenso gute Temperaturstabilität und hat auf viele Frühgeborene einen ausgesprochen beruhigenden Effekt. Dank neuer Erkenntnisse und Methoden werden Frühgeborene heute außerdem wesentlich kürzer beatmet als früher. Sehr oft können sie spontan atmen, nur unterstützt durch eine kleine Nasenmaske, die die Belüftung der Lunge erleichtert.
Durch eine kontinuierliche Überwachung, das sog. Monitoring, wird dabei sorgfältig darauf geachtet, dass sie nicht zu viele - unreifebedingte - Atempausen machen, aber auch kein Überangebot an Sauerstoff erhalten.
Die Prognose hängt einerseits von der Ursache für die Frühgeburt ab, andererseits davon, wie viele Wochen zu früh das Kind auf die Welt gekommen ist.
Bei Infektionen ist das Risiko für akute Lungen- und Hirnschäden stark erhöht. Bei einer Minderversorgung hingegen „verzichtet“ der fetale Organismus auf Wachstum, um mit einer geringeren Energiezufuhr zu überleben. Wenn die Minderversorgung früh einsetzt und lange andauert, kann sich diese „Sparschaltung“ dem Organismus derart einprägen, dass sie nie wieder ganz verloren geht und schon ein normales Nahrungsangebot im späteren Leben wie ein Überangebot wirkt. Durch diese sog. fetale Programmierung erklärt man sich heute, dass Menschen, die mit einem zu geringen Körpergewicht geboren wurden, im späteren Leben vermehrt zu Übergewicht, Diabetes mellitus und Gefäßerkrankungen (sog. metabolisches Syndrom) neigen.
Prof. Dr. med. Stefan Verlohren
Klinikdirektor - Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin
Prof. Dr. med. Dominique Singer
Ärztlicher Leiter des Zentrums für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin
Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin
Prof. Dr. med. Anke Diemert
Geburtshilfe und Pränatalmedizin - Bereich Forschung und Lehre
Website:
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Telefon - Kreißsaal und Notfälle:
Telefon - Schwangerenambulanz:
Prof. Dr. med. Stefan Verlohren ist Direktor der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin. Er ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe mit Fokus auf spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin.
E-Mail-Adresse:
Prof. Dr. med. Dominique Singer ist ärztlicher Leiter des Zentrums für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin in der Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin. Er ist Facharzt für Physiologie sowie für Kinder- und Jugendmedizin.
E-Mail-Adresse:
Frau Prof. Dr. Anke Diemert ist kommissarische Klinikdirektorin, Bereich Forschung und Lehre, der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin. Sie ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Zugang nur für Studierende und Mitarbeiter:innen des UKEs
Durch Vergleiche mit der Natur versuchen wir besser zu verstehen, wie sich Neugeborene an Unreife und Sauerstoffmangel anpassen können.
Was bedeutet es, ein sehr kleines Frühgeborenes gewesen zu sein? Den Spätfolgen der Frühgeburt, die in der Erwachsenenmedizin oft noch weitgehend unbekannt sind, gilt unser besonderes Forschungsinteresse.
In der Schwangerschaft und nach der Geburt werden wichtige Weichen für die Entwicklung des Immunsystems und Erkrankungen wie z.B. Asthma bronchiale und Allergien gestellt. Welche Faktoren hier begünstigend oder schützend wirken, ist Gegenstand eines Langzeitforschungsprojektes.
Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wird ein spezieller Forschungsbereich für Nachwuchswissenschaftler:innen zu reproduktiver Gesundheit eingerichtet. Ziel des interdisziplinären UKE-Nachwuchszentrums ist es, die negativen Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas auf die reproduktive und sexuelle Gesundheit zu verringern und die medizinische Versorgung sowie Forschung in diesem Feld zu verbessern.
Studien belegen, dass Übergewicht und Adipositas die Fruchtbarkeit verringern, das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen erhöhen, die Kindergesundheit schädigen und darüber hinaus auch das sexuelle Wohlbefinden beeinträchtigen können“, sagt Prof. Dr. Anke Diemert, Sprecherin des Nachwuchszentrums, aus der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKE.
Die medizinische Versorgung von sehr kleinen Frühgeborenen erfordert Übung und Erfahrung und sollte daher an Zentren stattfinden, die über eine entsprechende Ausstattung und Fallzahl verfügen.
Auch wenn heute ein Großteil der Frühgeborenen ohne ernsthafte körperliche Behinderungen überlebt, haben Langzeitstudien doch gezeigt, dass in neuen Lebensabschnitten – wenn neue Anforderungen auf die Betroffenen zukommen – auch neue Probleme auftreten können, die mit der ehemaligen Frühgeburtlichkeit zusammenhängen.
Hierzu gehören zum Beispiel Wachstumsstörungen und Teilleistungsstörungen, die die Frühgeborenen und ihre Familien im Schulalter beeinträchtigen können, oder soziale und psychische Probleme im Jugendlichen- und jungen Erwachsenenalter.