Die Symptome einer seltenen Erkrankung sind in der Regel sehr komplex. Deshalb ist es oft nicht leicht, sofort die Ursache zu finden. Zudem haben Ärzt:innen, bedingt durch die Seltenheit der Erkrankungen, meist nur wenig Erfahrung in der Diagnosestellung. Der Weg zur endgültigen Diagnose dauert deshalb oft viele Jahre.
Was versteht man unter einer seltenen Erkrankung? Wie kann es gelingen, eine seltene Erkrankung zu diagnostizeren? Und wer kann sie behandeln? Antworten auf diese und andere Fragen rund um das Thema seltene Erkrankungen erhalten Sie im folgenden Video. Zusätzlich können Sie Ihr Wissen mit dem Fact Sheet vertiefen.
[Film zur Erkrankung]
Für Diagnostik und Therapie von Seltenen Erkrankungen werden Expert:innen benötigt. Das Martin Zeitz Centrum für Seltene Erkrankungen (MZCSE) hat deshalb Kompetenzcentren gebildet, die sich durch eine besondere klinische und wissenschaftliche Expertise auf dem Gebiet der Seltenen Erkrankungen oder einer Seltenen Krankheitsgruppe auszeichnen.
Die Symptome einer seltenen Erkrankung sind in der Regel sehr komplex und für die Diagnosefindung wird oft die Expertise aus mehreren Fachdisziplinen benötigt. Jede dieser Fachdisziplinen fügt im Diagnoseprozess einzelne Puzzleteile hinzu, die es zu kombinieren gilt. Insbesondere bei Erwachsenen mit unklarer Diagnose sind anhaltende Körperbeschwerden ohne körperliche Ursache in der Abklärung zu berücksichtigen.
Die Haupt-Symptome, mit denen sich Patient:innen an das Martin Zeitz Centrum für Seltene Erkrankungen wenden sind:
Die Mehrheit der Betroffenen stellt sich also mit unspezifischen sowie oftmals heterogenen und komplexen Symptomen vor. Zudem haben viele Menschen mit seltenen Erkrankungen zusätzlich psychische Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen - was die diagnostische Einordnung zusätzlich erschwert.
Der lange und oft erfolglose Weg durch das Versorgungssystem, der in vielen Fällen nicht zu einer gesicherten Diagnose führt, kann eine große Belastung für Betroffene darstellen. Viele Patient:innen berichten von Frustration, Verunsicherung und Misstrauen gegenüber dem Gesundheitssystem. Viele fühlen sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen und äußern Sorgen darüber, dass ihre Beschwerden aufgrund des fehlenden diagnostischen Erfolgs als psychisch bedingt „abgestempelt“ werden. Es ist denkbar, dass diese Belastungen zu einer Verstärkung der körperlichen Symptome beitragen.
Patient:innen werden von Haus- oder Fachärzt:innen vorgestellt. Hierzu füllen diese einen Anmeldebogen (Epikrise) aus, in dem unter anderem die Verdachtsdiagnose, Leitsymptome, Vorerkrankungen und bereits konsultierte Fachdisziplinen aufgelistet werden. Der Anmeldebogen wird im Rahmen unserer wöchentlich stattfindenden interdisziplinären Fallkonferenz diskutiert. Im interdisziplinären Konsens wird hier entschieden, ob die Anfrage weiter im MZCSE (Martin Zeitz Centrum für Seltene Erkrankungen) bearbeitet wird, oder ob ggf. eine Empfehlung zur Vorstellung in einem der Kompetenzcentren oder anderen Spezialambulanzen erfolgen sollte.
Für die Bearbeitung im MZCSE werden dann zunächst weitere Unterlagen angefordert. Hierzu gehören ein Fragebogen, Einwilligungserklärungen, Überweisungsschein für eine Konsiliaruntersuchung und relevante Untersuchungsbefunde. Wenn alle Unterlagen vollständig im MZCSE vorliegen, wird eine elektronische Patientenakte erstellt und an ein/e ärztliche Kolleg:in zur Bearbeitung übergeben. Nach der Aufbereitung der Akte stellt der/die ärztliche Kolleg:in den Fall in der interdisziplinären Fallkonferenz vor. In der Fallkonferenz wird das weitere Vorgehen konsentiert und in der elektronischen Patientenakte als Boardbeschluss dokumentiert. Sollte kein Anhalt einer seltenen Erkrankung bestehen und/oder wird eine weiterführende ambulante Diagnostik oder Weiterbehandlung empfohlen, erhält die/der zuweisende Haus- oder Fachärzt:in ein entsprechendes Empfehlungsschreiben und wird die Patient:in hierüber informieren.
Besteht im interdisziplinären Konsens der Verdacht einer Seltenen Erkrankung, wird die jeweilige Patient:in in die interdisziplinäre Sprechstunde des MZCSE einbestellt. Im Rahmen der interdisziplinären Sprechstunde wird ggf. eine weiterführende Diagnostik zur Diagnosestellung veranlasst. Sollte der Verdacht einer seltenen genetisch determinierten Erkrankung bestehen, erfolgt der Einschluss in das sog. Undiagnosed Disease Program, UDP, in dem die erweiterte genetische Diagnostik veranlasst wird. Nach Befundeingang werden die Patient: innen erneut zur interdisziplinären Befundbesprechung einbestellt. Die / der zuweisende Haus- oder Fachärzt:in erhält einen abschließenden Arztbrief mit der konsentierten Einschätzung sowie ggf. weitere Empfehlungen zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen. In enger Zusammenarbeit mit der Psychosomatik können Patient:innen auch ein Angebot zur Vorstellung in der Psychosomatischen Ambulanz erhalten.
Das Martin Zeitz Centrum für Seltene Erkrankungen ist ein rein diagnostisches Centrum und bietet keine Behandlung an. Die Behandlung von Seltenen Erkrankungen erfolgt stattdessen in den Kompetenzcentren, anderen Spezialambulanzen oder bei niedergelassenen Fachärzt:innen. Da es oftmals nicht einfach ist, spezialisierte Behandlungsoptionen zu finden, bemüht sich das Martin Zeitz Centrum im Rahmen unserer Lotsenfunktion um rasche Anbindung in den Krankheitsrelevanten Versorgungszentren.
Das
Prof. Dr. Christoph Schramm
Wissenschaftlicher Leiter des MZCSE
Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE
Prof. Dr. Christian Kubisch
Leiter Undiagnosed Disease Program (UDP)
Institutsdirektor Humangenetik
Wissenschaftlicher Leiter des MZCSE
Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE
Leiter Undiagnosed Disease Program (UDP)
Institutsdirektor Humangenetik
Das UKE ist Mitglied in 14 Europäischen Referenznetzwerken (ERN). Das Netzwerk für Seltene Lebererkrankungen (European Reference Network for Hepatological Diseases, www.rare-liver.eu) wird vom UKE (Koordinator Prof. Dr. A. Lohse, I. Medizinische Klinik) koordiniert. Die ERN haben das Ziel, europaweit länderübergreifend die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu verbessern.
In dem multidisziplinären Sonderforschungsbereich SFB1192 „Immun-vermittelte glomeruläre Erkrankungen“ arbeiten Nephrologen, Immunologen und Pathologen zusammen, um ein besseres Verständnis der Immunpathogenese von Glomerulonephritiden zu erlangen. Schwerpunktmäßig sollen die Rolle der Zell-vermittelten Immunantwort und die Rolle der humoralen Immunantwort untersucht werden.
Das Ziel des europäischen Konsortiums ERICA (European Rare Disease Research Coordination and Support Action), an dem alle 24 europäischen Referenznetzwerke (ERN) beteiligt sind, besteht darin, auf den Stärken der einzelnen ERN aufzubauen und eine Plattform zu schaffen, die alle Forschungs- und Innovationskapazitäten der ERN integriert.
Am Martin Zeitz Centrum für Seltene Erkrankungen im UKE wurde 2020 in Kooperation mit dem ZSE der Lübecker Kolleg:innen ein prospektives multizentrisches Patientenregister etabliert und in enger multizentrischer Zusammenarbeit mit dem ZSE Lübeck und ZSE Bonn weiterentwickelt. Die Bildung der Datenbank hat das Ziel, die Versorgung seltener und unklarer Erkrankungen zu verbessern und Strukturen für Wissensaustausch und Forschung zu schaffen. Es können alle Patient:innen eingeschlossen werden, die sich mit einer unklaren Erkrankung unter dem Verdacht einer seltenen Erkrankung am ZSE vorstellen und deren Befunde und Berichte bearbeitet werden.
Die gesammelten Daten unterliegen selbstverständlich der Schweigepflicht und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die persönlichen und medizinischen Daten werden vor Aufnahme in die Datenbank im Behandlungsbereich der Klinik pseudonymisiert (verschlüsselt). Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir gern zur Verfügung (
Das Projekt Q.RARE.LI unter der Leitung von Prof. Bernd Löwe und Dr. Natalie Uhlenbusch befasst sich mit dem ungedeckten Bedarf an psychosozialer Unterstützung von Patient:innen mit einer seltenen autoimmunen Lebererkrankung.