Das Projekt "Gesundheitskompetenz, Selbsthilfeaktivitäten und Versorgungserfahrung von Menschen
mit Krebs" (gesa-K) untersucht die Gesundheitskompetenz und die Versorgungserfahrungen von Krebserkrankten
und ihren Angehörigen. Die Studie soll Aufschluss darüber geben, wie Selbsthilfeaktivitäten
und andere Unterstützungsmöglichkeiten die Gesundheitskompetenz und Krankheitsbewältigung von Betroffenen
stärken können.
Hintergrund
Die Diagnose Krebs ist für die meisten Menschen ein schwerwiegendes Erlebnis, das sie und ihre Nahestehenden
mit emotionalen Belastungen und lebenseinschneidenden Veränderungen konfrontiert. Die onkologische
Versorgung, also die fachärztliche Behandlung und psychosoziale Betreuung von Krebserkrankten,
ist in Deutschland in den letzten Jahren weit ausgebaut und verbessert worden. Dennoch gibt es
vor allem in der seelischen und sozialen Unterstützung von Krebserkrankten und ihren Familien
noch viel zu tun. Dies beginnt bereits bei der Diagnosestellung, der Mitteilung der Diagnose, der
Begleitung bei Therapie und Rehabilitation - einschließlich der Entscheidungen für oder gegen
unterschiedliche Therapieoptionen - bis hin zu den Fragen des Alltags, des Berufes, der Rechte
oder gar der möglichen finanziellen Einbußen.
Menschen mit einer Krebserkrankung sehen sich deshalb täglich vor komplexe Entscheidungen
im Umgang mit ihrer Erkrankung gestellt, - von der Wahl der Therapiemöglichkeiten bis zum Auffinden
der richtigen Ansprechpartner. Um informierte gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen,
ist eine ausgeprägte Gesundheitskompetenz unerlässlich.
Gesundheitskompetenz wird verstanden als die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden,
zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsbezogene Entscheidungen anzuwenden. Selbsthilfegruppen
(SHG) bieten dabei eine Möglichkeit, den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern und Patienten
durch das Versorgungssystem zu begleiten.
Jedoch mangelt es an Studien, die Erfahrungen von Betroffenen mit ihrer Versorgung
untersuchen, sowie das Zusammenspiel von Selbsthilfe und Gesundheitskompetenz im Rahmen
der onkologischen Versorgung greifbar machen. Darüber hinaus ist bislang nicht untersucht, inwieweit
die Integration der Selbsthilfe in das professionelle onkologische Versorgungssystem umgesetzt ist.
Ziel
Das gesa-K Projekt untersucht die Befähigung von Krebsbetroffenen hinsichtlich ihres Copings (Krankheitsverarbeitung)
und Selbstmanagements. Hierbei sollen auch die förderlichen wie hinderlichen Faktoren für eine hohe
bzw. niedrige Gesundheitskompetenz (GK) im Kontext der Erfahrungen und des Erlebens der Krebserkrankten
identifiziert werden.
In diesem Zusammenhang soll die Studie Aufschluss darüber geben, wie Krebsbetroffene
die Mitteilung der Diagnose, die Information und Aufklärung sowie Beratung und Begleitung erleben
und bewerten. Darüber hinaus wird untersucht, welche Unterstützungsangebote den Betroffenen
und ihren Angehörigen unterbreitet werden (z.B. Psychoonkologie, Sozialberatung, Selbsthilfegruppen
etc.) und mit welcher Akzeptanz und welchen Wirkungen diese genutzt werden.
Im Einzelnen sollen mit gesa-K die folgenden Fragen beantwortet werden:
- Welche Erfahrungen machen Menschen mit Krebs mit ihrer (psychosozialen) Versorgung und wie bewerten sie diese, welche Wünsche und Bedürfnisse resultieren daraus?
- Welche Faktoren tragen zur GK von Menschen mit Krebs bei, und mit welchen Maßnahmen (Beratung, Schulung, SHG etc.) lässt sich die GK steigern?
- Auf welchen Wegen finden Menschen mit Krebs in die Krebs-SHG, was sind die Voraussetzungen für Selbsthilfeaktivität, welchen Beitrag leisten das Versorgungssystem und die Krebszentren bei der Vermittlung in die Selbsthilfe?
- Welche Wirkungen können die SHG bei den Teilnehmenden insbesondere hinsichtlich ihrer GK erzielen?
Die Krebs-Selbsthilfegruppen (SHG) und -organisationen (SHO) spielen in diesem Geschehen eine
besondere Rolle, da sie nicht nur eine große Verbreitung, sondern auch einen hohen Organisationsgrad
und eine enge Verzahnung mit den Krebszentren in Deutschland aufweisen. Jedoch existieren kaum
systematische Erkenntnisse und Erfahrungswerte auf individueller (Patienten) und kollektiver (SHG)
Ebene bzgl. der Integration von SHG in den einzelnen Krebszentren und im (Krebs-)Versorgungssystem
im Allgemeinen (z.B. onkologische Praxen, Rehakliniken etc.).
Abbildung: Vereinfachtes analytisches Modell
Wie gut Krebs-SHG im onkologischen Versorgungssystem integriert sind, ist aus mehreren
Gründen eine wichtige Frage. Erstens nehmen sich SHG wichtigen Fragen der Krankheitsbewältigung
und der alltagsrelevanten Probleme an, die weit jenseits der medizinischen Beratung und Versorgung
liegen. Zweitens sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Versorgungseinrichtungen wichtige
Informanten über und Vermittler in die SHG. Drittens hilft das gesammelte Erfahrungswissen in den SHG,
die Versorgungsqualität der onkologischen Zentren und Behandlungseinrichtungen zu verbessern.
Projektablauf
Das Projekt ist in drei Abschnitte untergliedert. Im ersten Abschnitt wurden Interviews mit elf
Leiterinnen und Leitern von Krebs-SHG und Vorständen von Krebs-Selbsthilfeorganisationen geführt (Januar/Februar 2019).
Auf dieser Basis wurde im zweiten Abschnitt ein Fragebogen für SHG-Leiter/innen entwickelt (März/April 2019).
Dieser erhebt ihre Erfahrungen aus ihrer Gruppenarbeit, um daraus einen Fragebogen für Krebserkrankte
zu entwickeln. Die Gruppenleiter/innen werden auch um ihre Einschätzung zur Integration der Selbsthilfe
in das onkologische Versorgungssystem und der Kooperationen mit Fachleuten gebeten. Zwischen Juni und August
wurden die SHG-Leiterinnen und -leiter über das Haus der Krebsselbsthilfe
und über die Bundesorganisationen der Krebs-Selbsthilfe sowie die Landeskrebsgesellschaften gebeten,
sich an der Befragung zu beteiligen. Diese Erhebung ist nun abgeschlossen. Die ursprünglich angestrebte
Zahl von 250 SHG-Leiterinnen und -leitern wurde mit über 300 Teilnehmenden deutlich überschritten.
Im dritten Abschnitt folgte - verzögert durch die Corona-Krise - vom 15. Oktober 2020 bis zum 13. September 2021 eine Patientenbefragung,
in der die Gesundheitskompetenz und Versorgungserfahrung
von mindestens 1.000 Krebsbetroffenen erhoben werden sollte. Die Patientenbefragung richtete sich sowohl an "selbsthilfeaktive"
Patientinnen und Patienten als auch an Betroffene, die keine Mitglieder von SHG sind. Die Teilnahme erfolgte online. Alternativ konnte ein Fragebogen in Papierform angefordert werden. Es haben sich etwas mehr als 1.100 Menschen beteiligt.
Ergebnisse
Die Ergebnisse sollen dazu dienen, Patientenorientierung und Bedarfsgerechtigkeit in der Versorgung, Beratung
und Begleitung von Krebspatienten und ihren Angehörigen zu erhöhen sowie die Stärken und Schwächen
der gemeinschaftlichen Krebs-Selbsthilfe im Kontext der onkologischen Versorgung einzuschätzen.
Wir werden im Laufe des Projekts die Ergebnisse aus den einzelnen Phasen auf dieser Website unter
"Erhebungen" verfügbar machen.
Wissenschaftliche Mitarbeiter (IMS):
Dr. Christopher Kofahl (Projektleitung)
Dr. Jens Klein
Elâ Ziegler, M.Phil.
David Cebulla
Kontakt:
Elâ Ziegler, M.Phil.
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Institut für Medizinische Soziologie
Martinistraße 52, W37
20246, Hamburg
Telefon: (040) 7410 54868
E-Mail: e.ziegler@uke.de