Arztbrief auf Knopfdruck
Zu jeder Krankenhausbehandlung gehört die Erstellung eines Arztbriefs, der ein wichtiges Kommunikationsmedium zwischen Krankenhaus und weiterbehandelnden Ärzt:innen ist. Im Arztbrief wird der stationäre Behandlungsverlauf mit allen diagnostischen Maßnahmen zusammengefasst sowie eingeleitete Therapien und Empfehlungen zur Weiterbehandlung begründet. Beim Schreiben einer solchen Epikrise werden die Ärzt:innen des UKE seit Mitte 2024 von der KI-basierten Anwendung ARGO-CL unterstützt. ARGO-CL wurde von der gemeinnützigen UKE-Tochtergesellschaft IDM gGmbH (Innovative Digitale Medizin) entwickelt.
Autorin: Berit Waschatz
Grundlage der Software ist ARGO, ein großes Sprachmodell (engl. Large Language Model; LLM), das mit deutschsprachigen medizinischen Texten des UKE trainiert wurde. Möglich war dies, weil das UKE als erste Klinik in Europa 2009 flächendeckend eine digitale Patient:innenakte eingeführt hat. Der Datenfundus umfasst inzwischen die Daten von rund sieben Millionen Patient:innen. Mit ARGO-CL führte die IDM am UKE erstmalig in einer deutschen Klinik ein produktiv eingesetztes großes Sprachmodell ein.
„Die Entwicklung des KI-Sprachmodells zur Erstellung von Arztbriefen ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie digitale Anwendungen die medizinische Versorgung nachhaltig weiterentwickeln und verbessern können – ein wunderbares Beispiel für den Facettenreichtum von Universitätsmedizin“, sagt Prof. Dr. Christian Gerloff, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE.
ARGO-CL nutzt die vorhandenen Daten eines Patienten oder einer Patientin aus der Anamnese, aus klinischen Notizen, OP-Berichten, Befunden, Laborwerten und Medikationen und erstellt daraus mit nur einem Klick einen Entwurf für eine Epikrise. Dabei orientiert sich ARGO am jeweiligen Schreibstil der Klinik, denn das System hat gelernt, dass eine Epikrise in der Unfallchirurgie anders klingt als in der Pädiatrie. Den von ARGO-CL erstellten Arztbrief-Entwurf kontrollieren die behandelnden Ärzt:innen und passen ihn bei Bedarf an. Der herkömmliche zweistufige Freigabeprozess bleibt unverändert bestehen.
„ARGO-CL verringert das Risiko, relevante Befunde zu übersehen und verbessert die Qualität der Arztbriefe. Besonders für junge Assistenzärzt:innen, die oft für das Schreiben der Epikrisen zuständig sind, bietet das Tool eine wertvolle Unterstützung, da das Schreiben eines Arztbriefes zu Beginn oft herausfordernd sein kann“, erklärt Dr. Nils Schweingruber, einer der beiden IDM-Geschäftsführer.
Darüber hinaus soll ARGO dabei helfen, die Arztbriefe zu standardisieren und damit auch die Dokumentation für weiterbehandelnde Ärzt:innen zu optimieren. Denn bislang ist der Prozess der Arztbriefschreibung an den Kliniken in Deutschland nicht einheitlich geregelt.
Die IDM möchte ARGO bis Ende 2025 in weiteren deutschen Kliniken einführen und künstliche Intelligenz in der Medizin als Standard etablieren. „Unser gemeinnütziges Modell bleibt dabei zentral: Wir werden ARGO in die Breite bringen, damit Patient:innen deutschlandweit von einer effizienteren und noch sicheren Dokumentation profitieren können“, erklärt der zweite IDM-Geschäftsführer Dr. Julius Obergassel.
Um ARGO nutzen zu können, werden spezialisierte Server mit Grafikprozessoren benötigt, die speziell für KI-Modelle optimiert sind. In Zukunft soll aber auch ein Betrieb in der Cloud möglich sein, sodass die Nutzung unabhängig von einer lokalen Hardwareinfrastruktur erfolgen kann. Bei beiden Varianten steht der Datenschutz und die Datensouveränität an erster Stelle. „Im deutschen Gesundheitswesen erhobene Daten sollten unserer Meinung nach primär auch unseren Patient:innen und Kolleg:innen hier in Deutschland helfen, noch bessere, sichere und effizientere Medizin zu leisten. In Deutschland entwickelte Modelle machen das deutsche Gesundheitswesen unabhängiger von außereuropäischen Anbietern“, sagt Obergassel.
Anfang des Jahres hat das IDM-Team, das primär aus Ärzt:innen, Spezialist:innen in künstlicher Intelligenz, Softwareentwicklern und regulatorischen Expert:innen besteht, außerdem die Software ORPHEUS im UKE eingeführt. ORPHEUS ist eine fortschrittliche KI-Spracherkennung, die präzise und kontextbasierte Transkriptionen ermöglicht. Der gesprochene Text kann direkt in die gewünschten Anwendungen eingefügt werden, in denen bisher manuell getippt werden musste. ORPHEUS eignet sich daher für alle Mitarbeitenden. Auch ORPHEUS soll bis Ende 2025 vielen weiteren Kliniken in Deutschland zur Verfügung stehen.