Interview mit Carol Wallerich, Leiter Zukunftsplan in der KFE
„Der UKE Zukunftsplan 2050 ist weit mehr als eine Anreihung von Neubauprojekten“
Die erste von drei Phasen des UKE Zukunftsplans 2050 befindet sich vor dem Abschluss, die zweite vor dem Start. Zeit für eine Zwischenbilanz mit Carol Wallerich, der den Zukunftsplan in der UKE-Tochtergesellschaft KFE Klinik Facility Management Eppendorf leitet.
Interview: Uwe Groenewold, Fotos: Axel Kirchhof
Die Neubauten O60/Universitäres Herz- und Gefäßzentrum, Martini-Klinik und Campus Forschung II/Hamburg Center for Translational Immunology (CFII/HCTI) sind bald fertiggestellt. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz bei der Umsetzung des Zukunftsplans 2050 aus?
Sehr positiv. Die zeitlichen Abweichungen sind – trotz allem, was gerade in der Welt los ist – überschaubar. Phase I des Zukunftsplans steht kurz vor dem Ende, wir als KFE haben mit der Umsetzung der ersten Bauten bewiesen, dass wir solche Herausforderungen meistern können. Jetzt kann und sollte es rasch mit Phase II weitergehen.
Was ist als nächstes geplant?
Ein Labor- und Diagnostikzentrum, eine Erweiterung von Gebäude O10 mit einem Zentrum für Onkologie und Bildgebung und ein Neubau für die Psychiatrie. Das sind die konkreten Bauprojekte. Doch der UKE Zukunftsplan 2050 ist weit mehr als eine Anreihung von Neubauprojekten.
Das müssen Sie näher erläutern.
Wir sind ein Stadtquartier, 34 Hektar mitten in Eppendorf, eingebettet in private Wohngebiete. Wir können es uns gar nicht leisten, diesen städtischen Raum nicht geschickt zu planen. Die Ansprüche an Krankenversorgung, Forschung und Lehre werden immer größer, aber unsere Liegenschaft wird es nicht. Also sind wir verpflichtet, uns optimal zu strukturieren und zu verdichten. Das ist die Herausforderung hinter dem Zukunftsplan.
Es müssen also Inhalte und Infrastruktur gleichermaßen bedacht werden?
Unbedingt. Wir wollen auch in Zukunft Krankenversorgung, Forschung und Lehre auf Spitzenniveau und mit internationaler Ausstrahlung leisten. Um die medizinische und wissenschaftliche Entwicklung im Interesse der Patient:innen zu befördern, muss die bauliche Infrastruktur kontinuierlich angepasst werden. Die geplanten Neubauten sollen schon heute die medizinischen Erfordernisse der Zukunft abbilden, fortschrittliche Technologien und den höchstmöglichen Grad der Digitalisierung einbeziehen. Im UKE ist alles mit allem vernetzt, die Logistik spielt eine entscheidende Rolle. Das gilt es, bei den Planungen zu berücksichtigen. Für die Makrostruktur bedeutet das, dass alle Gebäude optimal platziert sind. Die Mikrostruktur erfordert, dass Abläufe innerhalb eines Gebäudes so aufgebaut sind, dass die Wege für alle Beteiligten kurz sind und Prozesse schlank gehalten werden können.
Was nehmen Sie aus der ersten mit in die zweite Phase des Zukunftsplans?
Ganz klar, Themen wie Nachhaltigkeit und Mobilität erhalten eine noch größere Bedeutung. Hier haben wir in den vergangenen zehn Jahren vielfältige Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt, die wir bei der nächsten Bauphase integrieren können.
Gab es Versäumnisse in der ersten Bauphase?
Heute sind wir in Bezug auf nachhaltiges Bauen viel weiter. Dachbegrünungen oder Fassadendämmungen sind da zwar wichtige, aber nur kleinere Elemente. Wir wollen neue Ideen bei der Energieversorgung umsetzen, arbeiten selbstverständlich mit ökologisch wertvolleren Baustoffen. Wir machen uns intensive Gedanken über die Struktur des Campus, um unserem Versorgungsauftrag bestmöglich gerecht zu werden – diese Nachhaltigkeit wird viele Jahrzehnte in die Zukunft reichen.
Und wie sieht es aus mit der Mobilität auf dem Campus?
Wir träumen davon, dass der gesamte Individualverkehr von der Oberfläche unseres Geländes verschwindet, dass nur noch Krankentransporte und Versorgungsfahrten stattfinden und Fahrräder fahren...
…und der Wasserstoff-betriebene Bus, der schon vor zehn Jahren Patient:innen über den Campus transportiert hat?
Ja, den reaktivieren wir auch, die Technik ist inzwischen deutlich fortgeschritten (lacht). Wir sind aber keine Träumer, Autos lassen sich nicht gänzlich vom Campus verbannen. Langfristiges Ziel ist es, dass sich der Individualverkehr von Mitarbeitenden, Patient:innen und Besucher:innen unter die Erde verlagert, das große Parkhaus unter dem neuen Herz- und Gefäßzentrum ist hier ein Anfang. Perspektivisch – nach Fertigstellung der neuen U-Bahnlinie 5, wenn immer weniger Menschen mit dem Auto zum UKE kommen – machen wir uns bereits Gedanken, die Tiefgaragenflächen anders zu nutzen, etwa als Lagerflächen, für IT-Erfordernisse oder für große Diagnostikeinheiten. Auch das ist nachhaltig. Da sind wir mit den Planungen aber schon in den späten 2030er-Jahren.
Ganz konkret: Können Sie die Pläne für die nächste Bauphase näher erläutern?
Das Kernprojekt für die nächsten 10 bis 15 Jahre ist die Erweiterung des Hauptgebäudes O10 in Richtung Osten. In zwei Bauabschnitten wollen wir praktisch noch ein Hauptgebäude an das bestehende heransetzen. Das ist eine gewaltige Aufgabe, weil zunächst sukzessive das alte Herzzentrum und die Gebäude, die aktuell noch die Krebsmedizin und die Radiologie beheimaten, rückgebaut und überplant werden müssen.
Hier entsteht dann das neue Zentrum für Onkologie?
Richtig. Wobei dieser große Gebäudekomplex nicht ausschließlich der Krebsmedizin und der Bildgebung vorbehalten sein soll. Im jetzigen Hauptgebäude wurden vor rund 15 Jahren zentrale Operationssäle und Intensivstationen für viele verschiedene Kliniken eingerichtet. Diese Multifunktionalität hat die Entwicklung des UKE nachhaltig positiv geprägt; deshalb wollen wir sie auch im neuen zweiten Hauptgebäude fortsetzen. Es soll Nutzungsmöglichkeiten für viele Kliniken und Einrichtungen unter einem Dach geben, hier laufen die Planungen noch. Auch die ZNA wird dadurch größer und nach Osten wachsen.
Werden beide Gebäude miteinander verbunden?
Ja, unbedingt, wir wollen eine optimale Nutzung unserer Ressourcen ermöglichen. Dieses Gebäude in Verbindung mit der geplanten U5-Haltestelle im Norden des Geländes werden viel im UKE verändern. Es wird eine komplett neue Wegebeziehung geben, die Menschen kommen nicht mehr nur über die Martinistraße ins UKE, sondern steigen mitten auf dem Campus aus der U-Bahn aus. Dort müssen wir einen neuen, weiteren Haupteingang planen.
Wird dann wieder, wie aktuell auch, gleichzeitig an mehreren Stellen auf dem UKE-Gelände gebaut?
Ja, das lässt sich nicht vermeiden. Dort, wo jetzt noch die alte Martini-Klinik steht, also ebenfalls im östlichen Campus-Bereich, soll das neue Labor- und Diagnostikzentrum gebaut werden. Hier können Laborstraßen, hochkomplexe und vollautomatisierte Prozesse und Verfahren etwa aus der Mikrobiologie, klinischen Chemie, Pathologie oder Bluttransfusionsmedizin gebündelt werden. Auch die Klinikapotheke mit ihrer besonderen Labortechnik und den für die Medikamentenfertigung benötigten Reinräumen könnte hier ein Zuhause finden. Eine Patient:innenversorgung ist in diesem Areal nicht vorgesehen.
Und der dritte Neubau?
Das wird die Psychiatrie im Westflügel sein, also ein bisschen abseits des übrigen Baugeschehens.
Gibt es schon konkrete Zeitpläne?
Alle drei Gebäude befinden sich in der Planung. Wichtige Voraussetzung dafür ist, die Erfordernisse für Klinik, Forschung und Lehre für die nächsten Jahrzehnte zu definieren und diese planerisch mit einzubeziehen. Wir streben an, die neuen Komplexe bis Mitte der 30er Jahre fertigzustellen.
Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
Darüber lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen. Wir befinden uns mit der Freien und Hansestadt Hamburg und hier insbesondere mit der Wissenschaftsbehörde in einem sehr guten, stetigen Austausch. Gleichwohl müssen wir Politik, Bund und Land für unsere Pläne weiter begeistern und um Unterstützung bitten. Die erste Phase des Zukunftsplans unter Leitung des damaligen Ärztlichen Direktors Prof. Dr. Burkhard Göke hat gezeigt, dass wir als UKE solche Projekte realisieren können. Mit dem neuen Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Christian Gerloff haben die Planungen für die zweite Phase seit Jahresbeginn 2023 weiter an Fahrt aufgenommen. Wir wissen um unsere Aufgabe, ein gewichtiger Teil der Gesundheitsversorgung für die Metropolregion Hamburg zu sein, und wollen dieser mit einer modernen zukunftsweisenden Infrastruktur gerecht werden.
Abschließende Frage: Trotz jahrelanger Großbaustellen gingen die Planungen bislang weiterhin von einem parkähnlichen Charakter des UKE-Gelände aus. Ist das noch realistisch?
Selbstverständlich! Wir sind ein offenes, städtisches Quartier. Früher wurden Mauern um Heilanstalten gezogen, dorthin wollen wir nicht zurück. Auf dem Gelände befindet sich ein Hotel, ein Einkaufszentrum mit Supermarkt und langfristig auch eine U-Bahn-Haltestelle, diese Offenheit wollen wir beibehalten und fördern. Grünflächen gehören genauso dazu und sind im Zukunftsplan 2050 berücksichtigt. Grün ist nicht nur schmückendes Beiwerk, Grün trägt zum Genesungsprozess und zur Erholung bei.