Raum 'Ärztin werden' im Medizinhistorischen Museum
Aktuelle Forschungen aus Geschichte, Ethik und Museologie

Schnittstellen

Wissenschaftliches Kolloquium zur Geschichte, Ethik und Museologie der Medizin

Oktober 2023 – Januar 2024

An Schnittstellen findet der Austausch zwischen Informationssystemen statt. Sie ermöglichen Kommunikation und führen unterschiedliche Perspektiven zusammen. Im Sinne von Einschnitten verfolgen wir die materiellen und immateriellen Spuren und Effekte medizinischen Handelns in der Gesellschaft. Das Kolloquium verbindet aktuelle ethische und wissenschaftshistorische Fragestellungen mit museologischen Diskursen von Bewahrung und Vermittlung. Es richtet sich sowohl an Professionelle aus den Wissenschaften und Gesundheitsberufen als auch an eine breitere Öffentlichkeit.

Donnerstags 16.15 Uhr bis 17.45 Uhr in der Bibliothek des Fritz-Schumacher-Hauses (N30), 1. OG, R. 123.

Programm-Flyer

  • Porträt von Sylvia Kesper-Biermann
    Prof. Dr. Sylvia Kesper-Biermann
    Foto: privat

    Ein Vortrag im Rahmen der Reihe „Vorlesung für alle“ Anmeldung unter:
    https://www.uni-hamburg.de/wissen-fuer-alle/vorlesung-fuer-alle/kesper-biermann.html

    Touristinnen und Touristen findet man fast überall. Sie begeben sich in die Natur, an Strände oder in die Berge, bereisen Städte, Burgen und Schlösser, besuchen Museen oder Freizeitparks. Ihre Reisen führen sie jedoch auch an solche historischen Orte, die mit Leiden, Schrecken und Tod verbunden sind. Dazu gehören KZ-Gedenkstätten, Friedhöfe, Foltermuseen oder ehemalige Schlachtfelder. In der Forschung werden diese Formen des Tourismus unter dem Begriff des ‚dunklen Tourismus‘ (Dark Tourism) zusammengefasst. Der Vortrag von Prof. Kesper-Biermann geht der Frage nach, seit wann es den ‚dunklen Tourismus‘ gibt und stellt Gründe und Motive dafür vor, warum Menschen an ‚dunkle‘ historische Orte reisen.

    Sylvia Kesper-Biermann ist Professorin für Historische Bildungsforschung an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Sie forscht zur Geschichte von Bildung und Erziehung, derzeit unter anderem zu Comics als Bildungsmedien in der Bundesrepublik in den 1970er und 1980er Jahren. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit Strafrechts- und Kriminalitätsgeschichte, wobei die Geschichte der Folter und ihrer Inszenierung in den letzten Jahren einen Schwerpunkt ihrer Arbeiten bildete. In diesem Zusammenhang interessiert sie sich für Geschichtstourismus und insbesondere für die Frage, was die Faszination von "dunklen Orten" der Vergangenheit ausmacht.

    Das Museum ist für Besucher und Besucherinnen der Veranstaltung ab 17 Uhr kostenfrei zugänglich. Außerdem bieten wir um 17 Uhr zwei Führungen durch Sektionssaal und Leichenkeller an (max. 50 Pers./Voranmeldung bitte über wissenfueralle@uni-hamburg.de )

  • Porträt von Philipp Kröger
    Philipp Kröger
    Foto: privat

    Seit den 1920er Jahren entstand in der Anthropologischen Abteilung des Hamburger Völkerkundemuseums eine „rassenbiologische“ Kartei. Aufgebaut und erdacht hatte sie Walter Scheidt, seit 1924 Leiter der Abteilung. Seine Forschungen gaben den Anstoß für das wohl größte „rassenbiologische“ Forschungsprojekt der Zwischenkriegszeit. Während Scheidt sich jedoch aufgrund ideologischer Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen „Rassenlehre“ in den 1930er Jahren von der „Rassenforschung“ abwendete – er gilt daher bisweilen als unbelasteter Wissenschaftler –, lebte seine Karteitechnik fort und diente mitunter als tödliches Erfassungsinstrument. Der Vortrag beleuchtet nicht nur die unterschätzte Bedeutung Walter Scheidts für die deutsche „Rassenbiologie“, sondern fragt anhand seiner Kartei nach der bis heute auszumachenden Rolle von Medientechniken für die Genese und Wirkmächtigkeit von Rassismen.

    Dr. Philipp Kröger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Geschichte der Gegenwart in Siegen. Nach dem Studium der Geschichte an der Universität Hamburg promovierte er zum Thema „Das vermessene Volk. Nationalitätenstatistik und Bevölkerungspolitik in Deutschlands östlichen Grenzländern (1860-1945)“. Die Arbeit erhielt den Förderpreis der Gesellschaft für Geschichte der Wissenschaften, der Medizin und der Technik und ist im Februar 2023 im Wallstein Verlag erschienen. Sein aktuelles Forschungsprojekt trägt den Titel „Neue Natur(en): Eine deutsch-deutsche Geschichte der Umweltgestaltung“, das sich mit Debatten um staatliche Praktiken der Rekultivierung und Renaturierung in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften befasst.

  • Porträt Leonie Braam
    Leonie Braam
    Foto: privat

    Wo hört ein Körper auf – und wo fängt ein Objekt an? In der medizinhistorischen Forschung sind Objekte Träger von Informationen medizinischer Eingriffe, Praktiken oder Techniken; sie sind Einschreibungsort von Erwartung, Hoffnung und Emotion. Und sie sind Spuren des menschlichen Körpers selbst. In dem Vortrag werden die Leerstellen und Chancen objektbasierter Forschung in der Medizingeschichte am Beispiel der Ausstellung „Entgrenzte Anatomie. Eine Tübinger Wissenschaft und der Nationalsozialismus“ vorgestellt und offen diskutiert. Dabei sollen die kuratorischen Entscheidungen des Zeigens und Nicht-Zeigens zusammen mit den theoretischen Überlegungen zu Objekten als historische Spuren und Überreste des Körpers problematisiert werden.

    Leonie Braam, MA studierte Kulturwissenschaft und Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2020 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Ihr Promotionsprojekt (Empirische Kulturwissenschaft und Medizingeschichte) unter dem Arbeitstitel „Materialisierte Wunden“ beschäftigt sich mit Praktiken und Repräsentationen der (Amputations-)Wunde im frühen 20. Jahrhundert. Sie ist Kuratorin der Im Frühjahr 2023 eröffneten Ausstellung „Entgrenzte Anatomie. Eine Tübinger Wissenschaft und der Nationalsozialismus“ zur Rolle der Anatomie in der NS-Gewaltherrschaft sowie der Frage nach Kontinuität von Unrecht in anatomischen Sammlungen und zum zukünftigen Umgang mit Human Remains.

  • Porträt Katharina Woellert
    Katharina Woellert
    Foto: UKE

    Zur modernen Gesundheitsversorgung gehört ein guter Umgang mit ethischen Herausforderungen. Damit Gesundheitsprofessionelle dies in den Regelprozessen zuverlässig leisten können, benötigen sie förderliche Rahmenbedingungen. Die Akademie für Ethik in der Medizin beschreibt dafür die Qualifizierungsstufe Koordinator:in für Ethik im Gesundheitswesen (K2) und definierte 2019 die für diese Tätigkeit notwendigen Kompetenzen im „Curriculum Ethikberatung“. Die im Curriculum formulierten kompetenzbasierten Lernziele umfassen ein weites Spektrum und reichen vom reinen Erkennen organisationsethischer Fragestellungen bis zum Gestalten komplexer Interventionen zur Förderung ethischer Versorgungsqualität. Dieser Vortrag geht von der Hypothese aus, dass die dafür formal mindestens vorgesehenen 15 UE für den Erwerb derart weitreichender Fertigkeiten nicht ausreichen und dass auch die beschriebenen Lernziele die Anforderungen an diese Tätigkeit nur unzureichend abbilden. Die Hamburger Weiterbildung „Ethik organisieren – K2 PLUS“ trägt dem Rechnung. In diesem Vortrag wird das Kurskonzept und erste Erfahrungswerte vor- und zur Diskussion gestellt.

    Dr. phil. Katharina Woellert ist Vorstandsbeauftragte für Klinische Ethik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Zu ihren aktuellen Forschungsschwerpunkten gehören Organisations- und Führungsethik, systemische Methoden in der Ethikberatung und ethische Herausforderungen in der Onkologie.