Störanfällig
Schlucken ist ein komplexes Zusammenspiel von Nerven und Muskeln. Kommt es zu Störungen, beginnt für Betroffene oft ein langer Leidensweg. Im SWALAB, dem Schlucklabor im UKE, suchen Wissenschaftler:innen nach Früherkennungsmaßnahmen und neuen Therapien.
Von Silvia Dahlkamp, Fotos Axel Kirchhof
Ein gesunder Mensch schluckt im Wachzustand bis zu 2000 Mal am Tag. „Schlucken ist für die meisten Menschen so selbstverständlich wie das Atmen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Julie Cläre Nienstedt, Stellvertretende Direktorin der Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde. Doch hinter dem scheinbar selbstverständlichen Vorgang verbirgt sich ein hochkomplexer Prozess: Verarbeitung und Transport von Speisen und Flüssigkeiten gehören zu den anspruchsvollsten Aufgaben, die der Organismus zu bewältigen hat. Großhirn, Hirnstamm, fünf Hirnnervenpaare und nahezu 100 Muskeln müssen innerhalb von Millisekunden aufeinander abgestimmt funktionieren.
Entsprechend anfällig für Störungen ist der Schluckapparat, wenn etwa aufgrund einer neurodegenerativen Erkrankung Nervenzellen geschädigt werden – wie zum Beispiel beim Parkinson-Syndrom. Weil Areale im Gehirn weniger Dopamin produzieren, übertragen Nerven weniger Impulse an die Muskeln. Parkinsonpatient:innen werden in ihren Bewegungen langsamer. Etwa 80 Prozent entwickeln eine Dysphagie – eine Schluckstörung, die schleichend sowohl das Kauen und Schlucken als auch den Nahrungstransport beeinflussen kann. „Mehr als die Hälfte der Betroffenen bemerkt die Störung jedoch erst, wenn sie Gewicht verloren haben und geschwächt sind, weil sie weniger essen und trinken“, so Logopädin Dr. Jana Zang.
Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Demenz oder Parkinson sowie angeborene Fehlbildungen, Tumore, Infektionen, Stoffwechselerkrankungen oder muskuläre Veränderungen können zu Störungen im Schluckapparat führen. Im Alter steigt das Risiko für eine Schluckstörung deutlich an. Um bei ersten Anzeichen mit Ernährungstherapien und individuellem Training gegenhalten zu können, erforscht ein Team im Swallowing Research Lab, kurz SWALAB, Methoden zur Früherkennung. Dabei arbeiten Logopäd:innen und Mediziner:innen der Poliklinik nicht nur eng mit Neurolog:innen der Parkinson-Tagesklinik, sondern auch mit HNO-Ärzt:innen, Gastroenterolog:innen, Radiolog:innen, Kinder- und Jugendmediziner:innen sowie Ernährungstherapeut:innen zusammen.
„Schluckstörungen haben vielfältige Symptome und kennen kein Alter“, sagt Dr. Nienstedt. Bei Parkinson ermöglichen insbesondere endoskopische Untersuchungen detaillierte Diagnosen. So kann neben der Beurteilung von Anatomie und Physiologie der beteiligten Strukturen auch der Weg von angefärbten Speisen und Getränken vom Mund-, Rachen- und Kehlkopfbereich bis in Speiseröhre und Magen gefilmt werden. „So erkennen wir neben Fehlbildungen und Engpässen auch, wenn winzige Speichel- oder Essenspartikel in die Atemwege gelangen.“ Aktuell untersucht das Team zusätzlich den Einfluss von Parkinsonmedikamenten auf den Schluckvorgang.
MEHR INFORMATIONEN?
Auf den Forschungsseiten der Klinik gibt's mehr Details: www.uke.de/schluckstoerung