Posterbeiträge zur Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (09/2024)
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Isolierte komplexe Oberkieferausformung bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte mit Einordnung retinierter und verlagerter Zähne
Schmid-Herrmann Carmen U., Kahl-Nieke Bärbel
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Poliklinik für Kieferorthopädie
Einleitung und Ziel: Die Prävalenz orofazialer Spalten liegt laut EUROCAT bei 14,71 pro 10 000 Neugeborenen. Häufig sind Anomalien der Zahnzahl und -form bei Schmelzhypomineralisation. Durch die Narbenzüge kommt es zur Hemmung der transversalen und sagittalen Entwicklung der Maxilla und zur Entstehung einer Pseudoprogenie.
Dieser Fallbericht dokumentiert die komplexe Ausformung eines Spaltkiefers.Methode: Die Patientin stellte sich im Alter von 11:08 Jahren vor. Es lag ein sagittal deutlich unterentwickelter Oberkiefer mit linksseitig unversorgter Kieferspalte und großem Knochendefizit (im DVT: 13 mm) bei Restloch vor. 16 und 26 waren nicht erhaltungswürdig, 21 und 22 fehlten bei vestibulärem Hochstand von 23 und Palatinalverlagerung von 15 und 25. Bei zirkulärem Kreuzbiss bestand eine Klasse III-Verzahnung um ¾ PB rechts und 1 PB links. Aufgrund der ausgeprägten skelettalen Diskrepanz erfolgten ausschließlich orthodontische Maßnahmen zur Ausformung des Oberkiefers.
Ergebnisse: Nach Extraktion von 16 und 26 sowie sekundärer Osteoplastik wurde ein modifizierter Transpalatinalbogen mit Kunststoffpelotte als Obturator für das Restloch als maximale Verankerung auf den ersten Prämolaren für die aktive Einordnung von 23, 15 und 25 inseriert. 17 u. 27 wurden in regio 016 u. 026 eingestellt und der Zahnbogen ausgeformt. In regio 021 und 022 wurden Lücken für einen späteren prothetischen Zahnersatz eingestellt. Als Retentionsgerät diente eine Oberkieferplatte mit Ersatzzähnen 21 und 22. Nach Wachstumsabschluss erfolgt eine kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapie mit weiterer Osteoplastik im Spaltbereich und anschließender Implantation.
Schlussfolgerung: Die isolierte Ausformung von Spaltkiefern trotz Indikation für eine kombinierte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapie nach Wachstumsabschluss ist eine wichtige Therapieoption mit dem Ziel eines funktionell und ästhetisch guten Ergebnisses für eine Verbesserung der mundbezogenen Lebensqualität. Aufgrund der Narbenzüge und Komplexität der Befunde stellt sie sich im Rahmen der langjährigen interdisziplinären Betreuung der Patient:innen häufig als Herausforderung dar.
Schlagworte: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Spaltkiefer, sekundäre Osteoplastik, Pseudoprogenie
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Vergleich verschiedener Therapiemittel zur Nahrungsaufnahme bei Patient:innen mit Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalten
Catharina Ahrens, Theresa Zoe Boelter, Lisa-Marie Northoff, Bärbel Kahl-Nieke
Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Ziel: Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalten zählen zu den häufigsten Fehlbildungen im Kopfbereich. Nicht selten bestehen Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, welche mit Wachstumseinschränkungen einhergehen können. Um die Nahrungsaufnahme zu verbessern, gibt es unterschiedliche Therapiemittel, welche hinsichtlich ihres Therapieerfolgs verglichen werden sollten.
Material und Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Inkludiert wurden klinische Studien sowie systematische Reviews zum Thema Therapiemaßnahmen zur Vereinfachung der Nahrungsaufnahme bei Säuglingen mit Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalten. Hierbei wurde der Schwerpunkt auf den Einfluss der Maßnahmen auf die Gewichtszunahme sowie die orofaziale Muskulatur gelegt.
Ergebnisse: Trink- und Sprechplatten als alleinige Therapiemaßnahme zeigen keinen positiven Einfluss auf die Trinkmenge und somit auch nicht auf die Gewichtszunahme. Jedoch unterstützen sie die Ausführung physiologischer Zungen- und Muskelbewegungen, die neben der Nahrungsaufnahme auch für die Annäherung der Spaltsegmente eine hohe Relevanz haben. Sowohl beim Trinkverhalten als auch beim Saugdruck konnte man bei besonderen Flaschen wie dem Habermannsauger oder einer Flasche mit modifiziertem Aufsatz eine Verbesserung verzeichnen. Noch bessere Ergebnisse konnten bei der kombinierten Anwendung mit einer Trink- und Sprechplatte beobachtet werden. Die Nahrungsaufnahme mittels Ernährungsspritze ermöglicht ein mit gesunden Säuglingen vergleichbares Trinkverhalten, jedoch wird die Nahrung hierbei aktiv appliziert, sodass keine habituellen Zungen- oder Saugbewegungen ausgeführt werden. Den geringsten positiven Einfluss auf das Trinkverhalten sowie die physiologische Beanspruchung der orofazialen Muskulatur hat die Tasse.
Schlussfolgerung: Zur Unterstützung der Nahrungsaufnahme sowie zur Ausführung physiologischer Zungen- und Muskelbewegungen können Patient:innen mit Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalte von einer Therapie mittels Trink- und Sprechplatte in Kombination mit einem Habermannsauger oder einer Flasche mit modifiziertem Aufsatz profitieren.
Schlagworte: Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalte; Wachstum; Trinkverhalten; Saug- und Trinkbewegungen; Nahrungsaufnahme; Trink- und Sprechplatte
Posterbeiträge zur Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (09/2023)
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Patienteninformation mit Künstlicher Intelligenz – Vergleich des Informationsgehaltes von KI- und menschlich erstellten Texten
Mann, Lucas Leo1; Kahl-Nieke, Bärbel1
1 Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Ziel: Ziel der Untersuchung ist ein Vergleich des Grades des Informationsgehaltes zum Thema Multiband zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) generierten und von Menschen (MI) geschrieben Informationsbögen.
Material und Methode: Mittels ChatGPT (OpenAI, San Francisco) wurde eine Patienteninformation zum Thema Multiband erstellt. Diese wurde anhand des Inhaltes und des Informationsgehaltes mit dem Informationsbogen der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Eppendorf verglichen.
Durch eine zweite Aufforderung an die KI konnten weitere Risiken benannt werden. Der Bogen wurde mit DeepL (DeepL, Köln) ins Deutsche übersetzt.
Die Bögen wurden an 21 Teilnehmer (10 männlich, 11 weiblich) gegeben. 17 Teilnehmer waren fachfremd, 4 Personen hatten kieferorthopädische Kenntnisse. Die Probanden sollten auf einer Skala von 1-10 beschreiben, wie informiert sie sich in Bezug auf die Multiband-Therapie fühlen. Der Informationsgehalt wurde folgendermaßen eingeteilt: 0 - ≤3,9: niedriger; ≥4 - ≤7,9: mittlerer und ≥8 - 10: hoher Informationsgehalt. Die deskriptive Statstik wurde mit Excel (Microsoft Corporation, Redmond) erstellt.Ergebnisse: KI-generierte und MI-geschriebene Informationsbögen haben teilweise inhaltliche Überschneidungen (6 von 11 Risiken sind identisch). In beiden Bögen wurden Risiken genannt und erklärt.
Durch die Eingabe weitererer Risiken konnte der KI-Informationsbogen individualisiert werden.
Bei 21 Probanden erzielte der MI geschriebene Informationsbogen bezogen auf den Informationsgehalt einen mittleren Wert von 7,8 (SD ±1,92). Der Informationsgehalt der KI erzielte einen Wert von 8,55 (SD ±0,82) und ist als hoch einzustufen. Der Grad des Informationsgehaltes liegt bei dem KI generiertem Bogen um 0,75 höher. Der Signifikanzwert liegt bei p=0,28.Schlussfolgerungen: KI generierte Patienteninformation zu Multiband-Behandlung bieten einen hohen Informationsgehalt, die dennoch der Freigabe des Kieferorthopäden bedürfen.
Ein Vorteil der KI ist die schnelle Erstellung informativer Texte mit Individualisierungsmöglichkeit. Die in den Bögen genannten Risiken sind nicht vollständig identisch, dennoch sind, von der KI genannten, Risiken real mögliche Risiken. -
CAD-CAM-Workflow eines 3D-gedruckten thermoelastischen Funktionsreglers nach Fränkel Typ III
Lisa-Marie Northoff1, Albert Hülsbeck1, Jesper Delfs2, Bärbel Kahl-Nieke1
1 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
2 Fachpraxis für Kieferorthopädie, Lübeck
Ziel: Der Funktionsregler nach Fränkel Typ III findet Verwendung in der Therapie von Anomalien des progenen Formenkrei-ses. Abstehende Bukkalschilde sowie Pelotten im Oberkiefer sollen einen Zug auf das Periost ausüben und so dessen verti- kale sowie sagittale Nachentwicklung fördern. Der Herstellungsprozess eines konventionellen FR III ist äußerst komplex und zeitintensiv. Eine digitale Herstellung verspricht sowohl Zeitersparnis als auch Kosteneffizienz. Im Folgenden soll der digitale Workflow für die Herstellung eines 3D-gedruckten thermoelastischen Funktionsreglers nach Fränkel Typ III präsentiert werden.
Material und Methoden: Mithilfe eines 3D-Scanners (3Shape, Kopenhagen, Dänemark) wurden die durch Funktionsabfor-mung hergestellten Gipsmodelle des Patienten digitalisiert und anschließend mithilfe des Programms OrthoSystems (3Sha-pe, Kopenhagen, Dänemark) in einem digitalen Artikulator fixiert. Zur eindeutigen Positionierung der Apparatur im Mund wurden Aufbisse mit Impressionen im Seitenzahnbereich erstellt. Diese wurden im Oberkiefer digital eingeschliffen, um eine Nachentwicklung in sagittaler Richtung zu ermöglichen. Pelotten und Bukkalschilde wurden im Oberkiefer mit Abstand zum Modell gestaltet. Auf diese Weise soll Zug auf das Periost ausgeübt und das Oberkieferwachstum angeregt werden. Im Unterkiefer dagegen wurden die Bukkalschilde dicht anliegend gestaltet. In Kombination mit einem Labialbogen sollen sie zur Hemmung des Unterkieferwachstums beitragen. Um ausreichende Stabilität zu gewährleisten und dem Druck der perioralen Weichteilkapsel standzuhalten, wurde ein Transpalatinalbogen (3mm x 5mm) hinzugefügt. Das Verbinden der Einzelteile und das Glätten von Kanten und Übergängen markierte das Ende des Designprozesses.
Ergebnisse: Anhand des digitalen Entwurfs wurde ein Funktionsregler nach Fränkel Typ III mittels 3D-Drucker (VOCO, Cux-haven, Deutschland) gedruckt. Als Material wurde ein Kunstharz (VOCO, Cuxhaven, Deutschland) verwendet, welches bei Körpertemperatur moderat thermoelastisch wird.
Schlussfolgerung: Durch Speicherung der einzelnen Arbeitsschritte konnte ein standardisierter digitaler Workflow erstellt werden, welcher sich auf unterschiedliche Patientenmodelle übertragen lässt. Damit ist der Herstellungsprozess des 3D-gedruckten FR III äußerst zeiteffizient und kostengünstig. Um den therapeutischen Effekt des digitalen Funktionsreglers nach Fränkel Typ III zu testen, bedarf es klinischer Studien.
Posterbeitrag zum Kongress der European Orthodontic Society Juni 2023. Ausgezeichnet mit dem Francesca Miotti Award für das beste klinische Poster.
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Comparison of the fit and material suitability of conventional versus thermoelastic computer-aided-design and -manufacturing feeding plates in infants with cleft palate / cleft lip and palate
Posterbeiträge zur Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (09/2022)
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Mundgesundheit, Beeinträchtigungen und orale Befunde bei Patient:innen mit Mukopolysaccharidosen
Schmid-Herrmann, Carmen U.1; Bruhn, Natascha1; Reissmann, Daniel R.2, Koehne, Till3; Kahl-Nieke, Bärbel1
1 Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf;
2 Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Freiburg;
3 Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum LeipzigZiel: Mukopolysaccharidosen (MPS) sind seltene Stoffwechselkrankheiten, die durch Defekte lysosomaler Enzyme verursacht werden. Die Akkumulierung unabgebauter Glykosaminoglykane in Geweben und Organen führt zu einem breiten Symptomspektrum, einschließlich dentalen und kraniofazialen Anomalien. Ziel der Studie war, die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (OHRQoL) von MPS-Patient:innen und den Zusammenhang mit ihren kraniofazialen und oralen Befunden zu untersuchen.
Material und Methoden: Die MPS-Kohorte (MPS I, II, III, IV, VI) bestand aus einer konsekutiv rekrutierten Stichprobe von 29 Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 17 Jahren (Ø 10,8 Jahre). Alle Patient:innen wurden hinsichtlich kraniofazialer und dentaler Anomalien untersucht. Für die Beurteilung der OHRQoL füllten sie die Kurzversion des Child Oral Health Impact Profile (COHIP-19) aus. Die Ergebnisse wurden mit Daten aus der Allgemeinbevölkerung von 313 Kindern und Jugendlichen verglichen (Sierwald et al. 2016). Die Untergruppen wurden nach Geschlecht, Alter (7-11 vs. 12-17 Jahre) und MPS-Subtyp analysiert.
Ergebnisse: Das kraniofaziale Erscheinungsbild der MPS-Patient:innen war durch ein konvexes Profil, Mundatmung, Makroglossie, eingeschränkte Mundöffnung, einen frontal offenen Biss und Kondylusresorptionen geprägt. Bei knochenmarktransplantierten MPS I-Patient:innen traten zusätzlich Agenesien, Mikrodontien, retinierte Zähne und Zysten auf. Befunde von MPS IV-Patient:innen waren spitze Höcker, und löchrige, hypoplastische Schmelzoberflächen. Hinsichtlich der OHRQoL gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den COHIP-Punktwerten von MPS-Patient:innen (62,0 ± 13,1) und der Kontrollgruppe (62,0 ± 7,8). Die COHIP-Punktwerte der MPS-Patient:innen unterschieden sich nicht wesentlich in Bezug auf Geschlecht, Alter und MPS-Subtyp.
Schlussfolgerung: Trotz schwerer kraniofazialer und dentaler Befunde haben Kinder und Jugendliche mit MPS keine schlechtere OHRQoL als Kinder und Jugendliche der Allgemeinbevölkerung. Die Therapie von MPS-Patient:innen erfordert ein individuelles, interdisziplinäres Konzept unter besonderer Berücksichtigung der oft gravierenden allgemeinmedizinischen Symptome.
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Vertikale desmodontale Distraktion eines ankylosierten Molaren unter skelettaler Verankerung
Schmid-Herrmann, Carmen U.1; Fuhrmann, Vera U.1; Köhne, Till2; Werbelow, Laura3; Kahl-Nieke, Bärbel1
1 Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf;
2 Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Leipzig;
3 Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Hamburg-EppendorfZiel: Im Gegensatz zu den konventionellen Therapieansätzen bei ankylosierten Zähnen (Tabletop-Versorgung, Extraktion) und den damit verbundenen Kompromissen wurde im vorliegenden Fall die vertikale desmodontale Distraktion (V-PDL-Distraktion) eines oberen Molaren durchgeführt.
Material und Methode: Bei der fünfzehnjährigen Patientin wurde zunächst die Lücke im Bereich des ankylosierten Zahnes 26 geöffnet. Der ankylosierte Molar wurde chirurgisch freigelegt, luxiert und mittels eines skelettal getragenen Distraktors distrahiert. Die zurückgelegte Distraktionsstrecke betrug 9,0 mm.
Ergebnisse: Der Molar konnte nach einer Distraktionsdauer von 128 Tagen erfolgreich eingestellt werden. Die Feinkorrektur erfolgte mittels einer Multibandbracketapparatur und eines Overlaybogens.
Schlussfolgerung: Die V-PDL-Distraktion von Molaren ist eine effektive und wenig invasive Therapieoption zur Einordnung ankylosierter Molaren und ist ggf. konventionellen Therapieansätzen überlegen.
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Interdisziplinäre Planung und Hybridnutzung eines Einzelzahnimplantats durch Überlagerung mittels digitaler Medien
Jesper L. Delfs¹, Guido Heydecke², Bärbel Kahl-Nieke¹
¹Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Poliklinik für Kieferorthopädie, Deutschland
²Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, DeutschlandEinleitung: Die Digitalisierung innerhalb der Zahnmedizin schreitet aktuell schneller voran als jemals zuvor. Besonders in Fällen, die einer interdisziplinären Planung bedürfen, können digitale Tools durch disziplinübergreifenden Austausch zum Vorteil genutzt werden. Das Ziel dieser Arbeit ist es anhand eines Patientenbeispiels aufzuzeigen, wie eine kieferorthopädische und prothetische Planung ineinander verzahnen können.
Material u. Methode: Die Patientin stellte sich mit dem Wunsch der Auflösung des tertiären Engstandes im Unterkiefer vor. Nach Auswertung von Modellen, Fotos und Röntgenbildern wurde geplant den Platzüberschuss in Regio 036 zur Auflösung des Engstandes auszunutzen (Abbildung 1a+b). Zum Erhalt des Antagonisten für Zahn 27, wurde eine maximale Verankerung des Zahnes 37 angestrebt. In Kooperation mit der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik sollte ein Einzelzahnimplantat in Regio 036 zunächst als orthodontische Verankerung genutzt und anschließend mit einer Einzelzahnkrone versorgt werden. Zur präimplantologischen Ermittlung der optimalen Implantatposition, wurden die dentalen Bewegungen digital simuliert und die Zielposition berechnet (OnyxCeph³™, Image Instruments GmbH, Chemnitz, Deutschland – Abbildung 2). Anschließend wurde anhand der stationären Zähne mit einer Ausschnitts-Volumentomografieaufnahme (DVT) überlagert (CoDiagnostiX; Dental Wings GmbH, Chemnitz, Deutschland).
Ergebnisse: Durch die Überlagerung von Zielsituation und DVT konnte die Implantatposition präzise dreidimensional bestimmt werden (Abbildung 3a+b). Sie wurde durch eine zweite Überlagerung des DVT und des Ausgangmodells auf die Ist-Position übertragen. Nach navigierter Insertion des Implantats und dreimonatiger Einheilphase wurde ein 6mm breites Provisorium eingesetzt, welches initial als maximale Verankerung dient und anschließend durch eine definitive vollkeramische Krone ersetzt werden kann.
Schlussfolgerungen: Das vorgestellte Prozedere zeigt, dass interdisziplinäre Kommunikation und Kooperation während der fachspezifischen Planung zu einer Erweiterung und Optimierung potentieller Therapieoptionen führen kann.
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Autologe Transplantation von horizontal verlagerten Unterkiefereckzähnen – ein Fallbericht
Berger, Leonie¹; Hülsbeck, Albert¹; Schwartz, Gerhard²; Kahl-Nieke, Bärbel¹
¹ Poliklinik für Kieferorthopädie; Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
² Gemeinschaftspraxis für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie am TibargEinleitung und Zielsetzung: Die Einordnung von verlagerten unteren Eckzähnen stellt eine komplexe kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung dar. Neben der herkömmlichen kieferorthopädischen Einordnung nach vorangegangener operativer Freilegung sollte eine autologe Transplantation vor allem bei erhöhter Resorptionsgefahr der Nachbarzähne und/oder Teilankylose des verlagerten Zahnes als Therapie-option in Betracht gezogen werden. Dieser Fallbericht dokumentiert die interdisziplinäre Einordnung zweier im Bereich der Symphyse horizontal verlagerter Eckzähne mittels Auto-transplantation.
Material Methode: Eine 14-jährige Patientin stellte sich mit verlagerten Eckzähnen 33 und 43 bei Persistenz der Milchzähne 73 und 83 in der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitäts-klinikums Hamburg-Eppendorf vor. Die zur Therapieplanung angefertigte digitale Volumentomographie zeigte, dass bei einer kieferorthopädischen Einordnung mit einer zusätzlichen Resorption der Zähne 32 und 42 zu rechnen ist und die Eckzähne einer extrem großen Bewegungsstrecke unterliegen würden. Eine partielle Ankylose der verlagerten Zähne konnte zudem nicht ausgeschlossen werden. Nach kieferorthopädischer Lückenvergrößerung in Regio 33, 43 erfolgte die Extraktion der Milcheckzähne sowie die Autotransplantation der verlagerten Eckzähne in die Extraktionsalveolen.
Ergebnisse: Nach achtwöchiger Einheilungsphase erfolgte die Feineinstellung der transplantierten Zähne, weitere sechs Monate später zeigten diese bereits erste Anzeichen von Vitalität. Der zwischenzeitliche Verdacht auf Resorption der Wurzel von Zahn 43 konnte bei gleichbleibender Vitalität durch das 1,5 Jahre postoperativ durchgeführte OPG widerlegt werden. Die Autotransplantation der verlagerten Zähne 33 und 43 scheint erfolgreich verlaufen zu sein, das ästhetische Ergebnis auch hinsichtlich des Gingivaverlaufes ist äußerst ansprechend.
Schlussfolgerung: Die autologe Transplantation von horizontal verlagerten unteren Eckzähnen stellt eine äußerst vielversprechende Behandlungsoption dar. Besonders wenn eine konventionelle chirurgische Freilegung mit anschließender kieferorthopädischer Einordnung wenig Erfolg verspricht, sollte eine autologe Transplantation in der Therapieplanung berücksichtigt werden.
Literatur:
1 Nolte D, Linsenmann R, Huth KC. Autogene Zahntransplantation. Neue Perspektiven. MKG-Chirurg 2011; 4:92-101
2 Schwartz O, Bergmann P, Klausen B. Autotransplantation of human teeth. A life table analysis of prognostic factors. Int J Oral Surg 1985; 14, 245-258
3 Hinrichs K. Die autogene Zahntransplantation: ein evidenzbasierter systematischer Review. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2005. -
Nebenwirkungen der Distalisation – Pendulum versus Distalslider
Lucas Brasch¹, Isabel Emsermann¹, Jesper Delfs¹, Bärbel Kahl-Nieke¹
¹ Poliklinik für Kieferorthopädie, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
Ziel: Seit Mitte der 1990er Jahre wurden zur Distalisation der Oberkiefermolaren eine Reihe von monomaxillären non-compliance Apparaturen entwickelt. Das Pendulum und der Distalslider sind zwei solcher Apparaturen, wobei das Pendulum konventionell über die Zähne und der Distalslider skelettal über Miniimplantate verankert ist. Das Ziel dieser Arbeit ist es diese Apparaturen bezüglich ihrer Nebenwirkungen zu vergleichen und Behandlern eine Entscheidungshilfe zu geben.
Material und Methoden: Diese Arbeit basiert auf Studien, die im Rahmen einer umfangreichen Suche auf PubMed, ScienceDirect und der Cochrane Library identifiziert wurden. Nach Anwendung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 26 Studien zum Pendulum und zum Distalslider für die Synthese analysiert. Die Studien wurden zwischen 1996 und 2021 in englischer Sprache veröffentlicht. Case Reports und Case Series wurden aufgrund ihres hohen Verzerrungsrisikos ausgeschlossen. Um eine größere Datenbasis nutzen zu können wurden auch Variationen des Pendulums (Pendulum K) und des Distalsliders (Distal Jet, Distal Screw und Beneslider) in der Analyse berücksichtigt.
Ergebnisse: Sowohl das Pendulum als auch der Distalslider sind effektive Apparaturen zur Molarendistalisation im Oberkiefer und erzielen vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich der Geschwindigkeit als auch des zu erwartenden Platzgewinns. Aufgrund der unterschiedlichen Verankerungsmethode unterscheiden sie sich aber in ihren Nebenwirkungen. Anders als beim Pendulum kommt es mit dem Distalslider zu keiner Mesialisation der Prämolaren und auch die Proklination der Frontzähne kann weitgehend vermieden werden. Die Distalkippung der ersten Molaren kann mit dem Distalslider sehr gut kontrolliert werden, sodass eine weitgehend körperliche Bewegung realisiert wird.
Schlussfolgerung: Das Pendulum und der Distalslider sind beides effektive Apparaturen zur Molarendistalisation im Oberkiefer mit ihren jeweils eigenen Indikationen. Bei einem ausgeprägten frontalen Engstand oder einer stark protrudierten Front ist der Distalslider die bessere Wahl. Lehnt der Patient Miniimplantate ab ist das Pendulum eine gute Alternative.