Corona-Folgen auf der Spur
Seit 2015 läuft im UKE die Hamburg City Health Study (HCHS). Rund 15.500 Hamburger:innen wurden bereits im Rahmen der größten lokalen Gesundheitsstudie der Welt untersucht, um Risikofaktoren für bestimmte Volkskrankheiten wie Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen besser zu verstehen und vorzubeugen. Jetzt bietet die einzigartige Plattform die Chance, auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse über mögliche Spätfolgen des Corona-Virus zu gewinnen.
Wissen wollen, wie der eigene Körper tickt, wie gesund er wirklich ist und was man tun kann, damit es lange so bleibt – auch während der Pandemie kommen täglich eingeladene Hamburger:innen unter strengen Hygiene-Vorsichtsmaßnahmen ins HCHS-Studienzentrum und lassen sich sprichwörtlich auf Herz und Nieren prüfen. „Viele Teilnehmende freuen sich über die Möglichkeit, sich bei uns komplett durchchecken lassen zu können und damit gewissermaßen auch der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen“, sagt Studienassistentin Annika Neubert, die seit 2018 im Epidemiologischen Studienzentrum des UKE arbeitet und dort Proband:innen untersucht.
Als die HCHS zu Beginn der Corona-Pandemie Mitte März 2020 für rund eineinhalb Monate pausieren muss, erarbeitet das Studienteam in Zusammenarbeit mit der UKE-Krankenhaushygiene ein detailliertes Konzept, um die lokale Langzeitstudie unter optimalen Sicherheitsbedingungen schnellstmöglich fortführen zu können. „Jedes Untersuchungsmodul kam auf den Prüfstand, einige Checks, wie etwa der Nasenabstrich zur Genanalyse, wurden zur Risikominimierung gecancelt oder die zahnmedizinische Untersuchung gekürzt“, erklärt die leitende Epidemiologin, Elina Petersen. Zu weiteren Hygieneregeln gehört das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes, reduzierte Teilnehmendenzahlen, regelmäßiges Lüften der Räume sowie gründliche Desinfektionen nach jedem Check-Up.
Corona-Folgen erkennen
Bis zu elf Proband:innen durchlaufen derzeit täglich die Gesundheitstests, zu denen Ultraschalluntersuchungen von Herz, Gehirn und Niere, ein Lungenfunktionstest, Gedächtnisprüfungen sowie Blutanalysen und Befragungen gehören. Untersuchungen, die jetzt auch dazu genutzt werden sollen, um mögliche Spätfolgen einer Corona-Infektion zu erforschen. „Seit November laden wir Proband:innen ein, die mindestens vier Monate zuvor mit SARS-CoV-2 infiziert waren und zwischen 45 und 74 Jahre alt sind“, erklärt Elina Petersen. Insgesamt 450 Teilnehmende sind in die so genannte Post-COVID-Kohorte eingeschlossen und durchlaufen dieselben Tests wie Nicht-Immunisierte. Abschließend werden die erhobenen Daten mit dem Gesundheitszustand der gleichaltrigen und -geschlechtlichen nicht an COVID-19 erkrankten Studienteilnehmenden verglichen, um zum Beispiel mögliche Gewebeveränderungen an Organen entdecken zu können.
„Auch, wenn uns noch keine Ergebnisse vorliegen, berichten uns viele Patient:innen, die ihre Corona-Infektion überstanden haben, von anhaltenden Beschwerden“, sagt Annika Neubert. „Besonders groß ist die Angst davor, dass Langzeitschäden zurückbleiben könnten“, so die Studienassistentin weiter. Die Daten der Post-COVID-Patient:innen sollen nun schnell aufbereitet und von den beteiligten Wissenschaftler:innen interdisziplinär ausgewertet und in der Folge auch veröffentlicht werden.
Mut machen
Für die Sorgen und Fragen von Teilnehmer:innen hat das HCHS-Team stets ein offenes Ohr. „Neben den medizinischen Untersuchungen, die wir hier durchführen, versuchen wir, Ängste zu nehmen und den Menschen Mut zu machen, weiter an ihre Genesung zu glauben“, so Neubert. Doch es gibt auch Tage, an denen sie sich durch die Pandemie-Situation selbst sehr belastet fühlt und dem Thema am liebsten aus dem Weg gehen würde. „Natürlich haben auch wir innerlich damit zu kämpfen, seit einem Jahr kaum Freunde oder Familie gesehen zu haben, nichts unternehmen zu können oder auch hier im Team immer auf Distanz gehen zu müssen. Oft schwanke ich zwischen Hoffnung und Müdigkeit“, erzählt sie. Gleichzeitig wisse sie um das Glück, jeden Tag ihre Kolleginnen und Kollegen zu sehen, gemeinsam arbeiten und auch mal lachen zu können. Wenn Annika Neubert sich etwas wünschen könnte? Dass ihre kleine Tochter Anfang September einen unbeschwerten ersten Schultag erleben darf – am liebsten ohne Maske im Gesicht und mit Vorfreude im Herzen.