27.03.2020 AKTUELLES
Aktuelles zur Corona-Pandemie: Fragen an die Infektiologin
Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie der I. Medizinische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Themen Impfstoffentwicklung, Studien zu Behandlungsmöglichkeiten und mögliche Antikörpertests.
Wie wird ein Impfstoff hergestellt?
Um einen Impfstoff herstellen zu können, muss ein Erreger zunächst sequenziert werden, d.h. sein Fingerabdruck muss bestimmt werden. Erst danach kann man sich auf die Suche nach einem Impfstoff machen. Beim aktuellen SARS-CoV2 ist dies bereits wenige Tage nach dem Ausbruch gelungen.
Welche verschiedenen Arten von Impfstoffen gibt es?
Es lassen sich im Wesentlichen drei Typen unterscheiden: Totimpfstoffe, Lebendimpfstoffe und genbasierte DNA oder mRNA-Impfstoffe. Die Forschergruppe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, in der das UKE beteiligt ist, nutzt für die Entwicklung eines Impfstoffs sogenannte virale Vektor-Vakzine-Plattformen. Dies ist eine Art Baukastensystem, dabei werden ungefährliche Viren mit einem Antigen des neuen Virus kombiniert.
Wie wird ein neuer Impfstoff getestet?
Zunächst wird ein neuer Impfstoff im Labor getestet. Dort wird geprüft, wie wirksam der Impfstoff ist und wie lange die Wirksamkeit anhält. Erst wenn diese präklinischen Tests abgeschlossen sind, folgen klinische Studien mit Menschen; zunächst mit wenigen gesunden Freiwilligen, später dann mit einer größeren Anzahl Probanden. Bevor diese klinischen Tests durchgeführt werden können, prüfen das Paul-Ehrlich-Institut und die Ethikkommission die entsprechenden Anträge. Nur in Ausnahmefällen kann mit den klinischen Studien bereits begonnen werden, bevor die präklinischen Tests abgeschlossen worden sind.
Wie weit ist das UKE mit der Entwicklung eines Impfstoffs?
Derzeit werden die formalen Anträge gestellt. Das Impfvirus ist von den Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München bereits hergestellt. Jetzt muss es noch vermehrt und dann im Labor getestet werden. Unsere Impfstoff-Studien werden vermutlich erst in der zweiten Jahreshälfte starten. Bis Ende des Jahres wird es vermutlich noch dauern, bis die ersten menschlichen Probanden geimpft werden können.
Wann wird ein Impfstoff zur Verfügung stehen?
Die ersten Impfstoffstudien im Menschen haben in diesem Monat in den USA begonnen, in Deutschland sind die ersten Studien am Menschen im Juni geplant. Für die aktuelle Corona-Infektionswelle wird ein Impfstoff noch nicht verfügbar sein.
Am UKE soll das Ebola-Medikament Remdesivir bei der Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten eingesetzt werden. Wann werden die ersten Patienten den Wirkstoff erhalten?
Das UKE gehört weltweit zu den mehr als 50 Zentren, die untersuchen, ob das Mittel Remdesivir wirksam ist. Im UKE werden die ersten Patienten den Wirkstoff wahrscheinlich am Wochenende oder Anfang der kommenden Woche erhalten.
Wer bekommt das Medikament Remdesivir?
Das Mittel Remdesivir soll stationären Patienten mit verschiedenen Erkrankungsverläufen verabreicht werden. Nur Menschen, denen es so gut geht, dass sie nicht ins Krankenhaus müssen, sollen das Medikament nicht bekommen, weil das Mittel intravenös verabreicht wird.
Wann sollen erste Ergebnisse der Studie vorliegen?
Ende April sollten bereits erste Daten vorliegen, sodass eine Zwischenanalyse möglich sein könnte. Um eine Substanz ausreichend testen zu können, benötigt man zwar viele Patientinnen und Patienten. Allerdings verbreitet sich das Virus derzeit so schnell, dass genügend Fallzahlen vorhanden sein sollten. Außerdem haben andere internationale medizinische Zentren schon vor zwei Wochen mit der Studie begonnen.
Welche Erfahrungen gibt es bereits mit dem Wirkstoff Remdesivir?
Mittlerweile ist der Wirkstoff Remdesivir als individueller Heilversuch schon bei einigen Patientinnen und Patienten eingesetzt worden, auch in Deutschland. Die Substanz wird scheinbar gut vertragen. Die Verfassung der Patienten hat sich verbessert. Doch erst kontrollierte Studien werden zeigen, ob das Mittel tatsächlich wirksam ist und warum es den Patienten besser geht. Die Studien werden auch zeigen, wie früh man den Wirkstoff geben sollte und in welcher Dosierung. Auch werden vergleichende Studien mit anderen Wirkstoffen benötigt, um zu sehen, welches Medikament am besten wirkt.
Gibt es noch andere Wirkstoffe, die bei der Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten eingesetzt werden könnten?
Für das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin liegen erste Daten vor. Bislang ist aber noch offen, ob und wie wirksam das Mittel ist. Auch andere Substanzen sind in klinischen Studien. Vielversprechend erscheinen in der Zukunft auch Antikörper, die man Patienten verabreichen könnte, um das Virus anzugreifen.
Wie funktioniert eine mögliche Behandlung mit Antikörpern?
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann Antikörper dem Blut von Genesenen entnehmen. Denn wer eine Erkrankung überstanden hat, hat diese Abwehrstoffe bereits gebildet. Eine andere Variante sind gentechnisch veränderte Mäuse. Diese speziellen humanisierten Tiere verfügen über Gene des menschlichen Immunsystems und produzieren deshalb Antikörper, die im Menschen wirken. Gerade erst gab es eine wissenschaftliche Publikation zu einem solchen humanisierten Anti-körper, der im Labor gegen das neue Corona-Virus Aktivität gezeigt hat. Sollte sich das bestätigen, wäre das womöglich eine gute Therapieoption bei schwerkranken Patientinnen und Patienten. Die Antikörper könnten den Patienten per Infusion verabreicht werden, ähnlich wie bei der Ebola-Therapie mit monoklonalen Antikörpern. Aber auch hier braucht man kontrollierte klinische Studien.
Bietet das UKE Tests auf Antikörper an? Was kann mithilfe der Tests herausgefunden werden?
Nein, die Antikörpertests befinden sind noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. Das UKE bietet diese Testung für Patientinnen und Patienten derzeit noch nicht an, da sie momentan überprüft und optimiert wird.
Seit einiger Zeit werden in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen in Deutschland und international diese neuen Testmöglichkeiten auf das neuartige Corona-Virus entwickelt. Mithilfe dieser Tests kann man im Blut nach Antikörpern suchen. Für den Nachweis einer akuten Infektion sind sie nicht geeignet, weil die Infizierten schon ansteckend sind, bevor sie Antikörper bilden. Allerdings können mit den Tests wahrscheinlich überstandene Infektionen mit dem Corona-Virus nachgewiesen werden.
Wann gilt ein Patient als genesen?
Nach Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts gilt ein Patient 14 Tage nach Beginn der Symptome als genesen. Zugleich darf er für 48 Stunden keine Symptome wie Husten oder Fieber gehabt haben und im Abstand von 24 Stunden müssen zwei Untersuchungen auf das Virus negativ ausfallen.
Warum ist die Sterblichkeitsrate in Deutschland niedriger als in Italien?
Die Sterblichkeitsrate liegt in Deutschland derzeit bei 0,5 Prozent, in Italien bei knapp 10 Prozent. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. In Italien gab es als erstes Land in Europa COVID-19-Patienten. Dort konnten die ersten Diagnosen erst gestellt werden, als sich das Virus schon einige Wochen unkontrolliert verbreiten konnte. Deutschland hatte mehr Zeit, sich auf die neue Situation vorzubereiten, hat mehr Personal in den Krankenhäusern und verfügt über mehr Intensivbetten. Außerdem wurden in Deutschland früh mehr Menschen getestet, auch Menschen mit harmlosen Verläufen. In Italien wurden zunächst vor allem Schwerkranke getestet. Das kann die höhere Quote von Todesfällen pro Getesteten teilweise erklären. Aber auch in Deutschland wird die Sterblichkeitsrate in den nächsten Wochen wahrscheinlich noch leicht ansteigen. Denn der Höhepunkt der Erkrankungswelle wurde in Deutschland noch nicht erreicht.
Pressemitteilung als PDF-Download
Unternehmenskommunikation
Telefon: | +49 (0) 40 7410 - 56061 |
Fax: | +49 (0) 40 7410 - 54932 |
E-Mail: | presse@uke.de |
Adresse: | Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf GB Unternehmenskommunikation Martinistraße 52, Gebäude O35 20246 Hamburg |