01.04.2020 AKTUELLES
Aktuelles zur Corona-Pandemie: Fragen an den Psychiater
Prof. Dr. Jürgen Gallinat, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Einfluss der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Kontaktsperre auf die Psyche.
Wie wirken sich die Corona-Pandemie und die verhängte Kontaktsperre auf die Psyche aus?
Der Ausbruch des neuartigen Corona-Virus macht manchen Menschen Angst. Das ist normal und nachvollziehbar. Die Kontaktsperre kann durch eine zusätzliche soziale Isolation wiederum die psychische Belastung verstärken und Angst oder Depression begünstigen. Vor allem der schwer absehbare Endpunkt der Corona-Pandemie und der Kontaktsperre werden dabei zu einem Stressfaktor. Die psychischen Effekte fallen in der Regel geringer aus, wenn das Ende einer Kontaktsperre klar benannt wird. Anzeichen für eine psychische Belastung sind neben der Angst auch Gereiztheit, Erschöpfung und Schlafstörungen.
Werden im Zuge der Corona-Pandemie psychische Erkrankungen zunehmen?
Ein Großteil der Menschen wird durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen keinen psychischen Schaden davontragen. Es ist aber durchaus damit zu rechnen, dass einige Menschen aufgrund der belastenden Situation psychische Probleme wie Depressivität oder Ängstlichkeit entwickeln oder vorbestehende Symptome sich verstärken. Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte können davon auch betroffen sein und zum Teil etwas mehr Symptomatik zeigen.
Müssen wir auch mit Spätfolgen durch die Pandemie und ihren Begleiterscheinungen rechnen?
In Bezug auf Isolation oder Quarantäne können im weiteren Verlauf auch nach einigen Wochen noch psychische Symptome bestehen. Hier handelt es sich beispielweise um Ängstlichkeit im Umgang mit Menschen. Auch depressive Stimmung, Anspannung und Schlafstörungen kommen bei manchen Menschen noch vor. Dies ist jedoch eher selten und die Symptome verschwinden im weiteren Verlauf. Wir sollten aber nach der Kontaktsperre darauf achten, unsere Verhaltensmuster aus Zeiten der Isolation wieder abzulegen.
Wie sollte man mit der psychischen Belastung umgehen?
Wichtig ist, dass man seinen Alltag strukturiert und sich Routinen schafft. Man sollte geregelte Zeiten für Schlaf und Mahlzeiten einplanen und sich körperlich bewegen bzw. Sport treiben, am besten im Freien. Dies tut dem Körper und der Seele gut, reduziert depressive Stimmung und stärkt das Selbstwertgefühl. Außerdem sollte man sich nicht auf negative Gefühle und Angst fokussieren. Es hilft, wenn man positiv denkt und sich auf angenehme Aktivitäten konzentriert – die schon lange anstehende Renovierung der Wohnung, die Kontaktaufnahme mit einem früheren Freund und die kleinen Freuden des Alltags. Das kann der Kaffee am Morgen oder Musikhören sein. Außerdem sollte man den Kontakt zur Familie und Freunden halten, am besten fest verabredet. Das intensive Gespräch mit dem Partner, eine tiefere Unterhaltung mit Bekannten und mehr Zeit im Umgang mit Freunden können dabei neue positive Seiten bringen.
Was sollte man gegen Vereinsamung unternehmen?
Durch die Kontaktsperre ist es schwierig, Freunde und Familie persönlich zu treffen. Aber technische Hilfsmittel wie Telefon, Handy oder Computer ermöglichen es uns, weiterhin den Kontakt zu halten. Dies sollte man auch regelmäßig tun. Sehr hilfreich ist es, dies zu planen. Hierdurch kann man sich auf den Austausch freuen. Darüber hinaus ist es wichtig, aktiv zu sein und nicht auf dem Sofa sitzen zu bleiben.
Wie kann man seine Ängste bekämpfen?
Wichtig ist es, sich über die aktuelle Lage zu informieren und sich dabei aber auf vertrauenswürdige Informationsquellen zu stützen. Sogenannte Fake News schüren ganz bewusst Ängste. Zugleich sollte man aber nicht den ganzen Tag die Nachrichten verfolgen oder sich gar Push-Nachrichten aufs Handy schicken lassen. Es ist hilfreich sich geplant ein- oder zweimal pro Tag Nachrichten anzuhören. Ein weiteres Dahintreiben durch die Informationsflut verstärkt eher Unsicherheit und Frustration.
Was bedeutet die Krise und Kontaktsperre für psychisch Erkrankte?
Psychisch Erkrankte sollten in dieser Krisensituation besonders auf sich achten. Äußere Belastungsfaktoren und Stresssituationen durch die aktuelle Situation können depressive Stimmung oder Angst verstärken. Die soziale Isolation ist ebenfalls ungut für die bestehende psychische Symptomatik. Für psychisch Erkrankte ist es noch wichtiger, ihren Alltag zu strukturieren und den Kontakt zu Freunden und Bekannten zu halten. Patientinnen und Patienten sollten sich nicht scheuen, um Hilfe zu fragen. Neben den diversen Krisentelefonen und Kontaktangeboten können sie die weiterhin arbeitenden Psychiater und Psychotherapeuten sowie die psychiatrischen Kliniken kontaktieren. Hier bestehen nach wie vor Hilfsangebote, die auf die aktuelle Situation angepasst sind.
Was sollte man tun, wenn einem alles zu viel wird?
Wer seine Sorgen und Ängste nicht allein bewältigen kann, sollte sich unbedingt professionelle Hilfe suchen. Die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE sowie die angegliederten Ambulanzen sind weiterhin geöffnet. Auch Hausärzte beraten in Krisensituationen. Zusätzlich werden gerade vielerorts telemedizinische Angebote ausgebaut.
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