01.04.2020        AKTUELLES

Aktuelles zur Corona-Pandemie: Fragen an den Kinder- und Jugendpsychiater

Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Themen Angst vor der Corona-Pandemie und Eltern zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung.

Wie erklärt man Kindern, was gerade passiert?

Das hängt vom Alter ab. Aber grundsätzlich kann man jedem Kind, das bereits sprechen kann, erklären, was eine Infektion ist, wie sich Fieber oder Husten anfühlt und dass gerade ein Erreger in der Welt unterwegs ist, der etwas gefährlicher ist als andere, und den man nicht sehen kann.

Haben Kinder mehr Angst als Erwachsene? Und wie kann man sie ihnen nehmen?

Kinder haben nicht unbedingt mehr Angst als Erwachsene, auch nicht in der jetzigen Situation. Eltern müssen sich ihrer eigenen Angst bewusst sein. Wenn sie selbst ängstlich sind, übertragen sie dies auf ihre Kinder. Sie sollten sich gemeinsam über das Tagesgeschehen informieren, aber auch gemeinsam dafür Sorge tragen, dass das Familienleben weitergeht.

Wie gehen Kinder mit der Kontaktsperre um?

Das ist sehr unterschiedlich. Einige Kinder finden es ganz gut, wenn weniger los ist. Es entlastet sie vielleicht auch, wenn sie weniger Zeitdruck haben und anders lernen können. Andere Kinder vermissen ihre Freunde. Aber alle stellen sich gerade kreativ auf die neue Situation ein und Familien haben die Chance, sich auf sich zu besinnen.

Ist die jetzige Situation schädlich für Kinder oder wachsen sie vielleicht auch daran?

Eine gewisse Zeit in Quarantäne oder eine absehbare Kontaktsperre sind nicht schädlich für Kinder. Im Gegenteil, wir lernen gerade als Gesamtgesellschaft, was Solidarität bedeutet, wie man diese lebt. Es tut Kindern gut, so etwas zu erleben. Außerdem erleben wir ja gerade kein Social Distancing, sondern eher ein Physical Distancing. Noch nie waren wir so gut vernetzt wie jetzt.

Wie organisieren Eltern den Alltag zwischen Homeoffice und Homeschooling am besten?

Die jetzige Situation erfordert gerade sehr viel von allen Eltern. Sie sollten sich gut strukturieren und gleichzeitig flexibel bleiben. Ganz wichtig ist es, den bisherigen Tagesrhythmus einzuhalten. Man sollte morgens aufstehen und sich anziehen, als würde man zur Schule oder zur Arbeit gehen. In vielen Fällen ist es auch hilfreich, sich einen gemeinsamen Arbeitsplatz, wie z.B. den heimischen Esstisch, einzurichten. Dort bekommt jedes Familienmitglied seinen Bereich zum Arbeiten oder Spielen. Morgens sollten Familien außerdem gemeinsam den Tagesablauf besprechen und im Tagesverlauf darauf achten, gemeinsam Pausen zu machen, aber auch Zeit für sich zu haben.

Wie können Eltern ihren Kindern vermitteln, dass sie ein paar Stunden am Stück in Ruhe arbeiten müssen und nicht gestört werden wollen?

Das hängt vom Alter ab. Grundsätzlich kann man Kindern aber sagen, dass in dieser besonderen Situation jeder mithelfen muss. Und die Hilfe des Kindes besteht dann vielleicht gerade darin, die Eltern arbeiten zu lassen. Wichtig ist aber auch, diese Regelung nicht zu strikt zu befolgen. Wer zwischendurch eine Frage zulässt, kann auch Tränen abwenden. Das gilt vor allem auch für kleinere Kinder, die vielleicht nicht mit einer Frage „stören“, sondern kurz ein Spielauto über den Schreibtisch fahren möchten.

Wie kann Homeoffice ohne Tränen funktionieren?

Die Eltern sind in der Pflicht, ihren eigenen Stresspegel zu kontrollieren, damit sie diesen nicht an ihre Kinder übertragen. Vor allem sollten Eltern ihren Kindern vermitteln, dass die Quarantäne kein Gefängnis ist, sondern sie alle Dinge tun können, für die man sonst vielleicht eher nicht Zeit findet.

Dürfen Kinder in dieser besonderen Situation mehr Medien konsumieren?

Familien sollten die Situation nutzen, um sich auf sich zu besinnen und mehr Zeit miteinander zu verbringen. Sie sollten zum Beispiel auch gemeinsam Brettspiele spielen. Aber Kinder dürfen in dieser Zeit auch mehr am PC spielen oder fernsehen. Das können sie verkraften und ist nicht dramatisch. Auf die Mischung kommt es an.

Wie kann ich mein Kind motivieren, zu Hause zu lernen?

Auf Dauer ist das Homeschooling sicherlich nicht attraktiv. Aber gerade genießen Kinder diese Situation, für sie ist diese Zeit etwas Wunderbares. Kinder sind von Natur aus neugierig und wissbegierig. Sie haben Spaß daran, unter neuen Bedingungen zu lernen und sich anzustrengen. Es ist eine tolle Chance.

Längere Zeit auf begrenztem Raum zusammen zu sein kann zu Streit führen. Was raten Sie Familien?

Wer mit der Situation nicht zurechtkommt, sollte sich Hilfe holen. Die kinderpsychiatrische Versorgung ist weiterhin besetzt, auch die Ambulanzen sind geöffnet. Und Kinder, die dringend eine Therapie benötigen, können auch telemedizinisch versorgt werden.

Viel Zeit füreinander, aber auch Streit, Stress und Ärger – hier sind wichtige Ansprechpartner

Elterntelefon: 0800 111 0 550

Kinder und Jugendtelefon: 116 111

Kinderschutzzentrum Hamburg: 040 491 00 07

Kinderschutzzentrum Harburg: 040 79 01 04 0

Anlaufstelle Frühe Hilfen Eimsbüttel: 040 431 79 48 212

Beratungsstelle Frühe Hilfen Harburg/Süderelbe: 040 79 01 04 44

Erziehungsberatung Burgstraße: 040 43 29 27 20

Schreibaby Sprechstunde Hamburg: 040 43 21 95 50

Mütterberatung für Bezirk Mitte: 040 428 54 46 70

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