Mehrsprachigkeit in der ambulanten diabetologischen Versorgung in Deutschland


Kooperationspartner:

Förderer: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Universität Hamburg

Laufzeit: 07/2018- 06/2019

Projektbeschreibung:

Hintergrund

Migrant*innen haben nachweislich ein höheres Risiko an Diabetes mellitus zu erkranken als die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft. So weist eine Meta-Analyse zur Prävalenz bei Diabetes Typ 2 bei ethnischen Minderheiten in Europa für Migrant*innen aus Süd- und Zentralamerika ein um 30 % erhöhtes Risiko im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung auf. Ein Teil der Migrant*innen sind durchaus in der Lage sich in der Sprache der Mehrheitsgesellschaft auch im Gesundheitswesen zurechtzufinden. Dies gilt jedoch nicht für alle zugewanderten Patient*innen. Einer dänischen Studie zufolge berichten 15% der Patient*innen mit Migrationshintergrund davon, auch sieben Jahren nach Einreise eine/n Dolmetscher/in in der allgemeinen Gesundheitsversorgung zu benötigen.

Methode

Mit Unterstützung der DDG hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in Kooperation mit dem Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf das Ausmaß der Mehrsprachigkeit in der ambulanten diabetologischen Versorgung explorativ untersucht. Von den 175 in Deutschland gelisteten diabetologischen Schwerpunktpraxen der DDG nahmen 63% (N = 107) an der postalischen Befragung im Herbst/Winter letzten Jahres teil.

Ergebnis

Im Durchschnitt geben die Praxen an, dass bei 6% ihrer Patient*innen die Deutschkenntnisse nicht für eine angemessene Diagnostik oder Behandlung ausreichen. Demgegenüber verfügen die ambulanten Praxen über eine gewisse Vielfalt an mehrsprachlichen Kompetenzen. Insgesamt decken die Mitarbeiter*innen in allen Praxen 29 Sprachen ab. Ein Drittel der Mitarbeiter*innen nutzen dabei ihre mehrsprachlichen Kompetenzen aktiv in der Patientenversorgung. Kam es vor, dass die Kommunikation auf Deutsch mit den Patient*innen nicht möglich war, wurde in 93% dieser Fälle eine weitere Person als Dolmetscher hinzugezogen. In der Regel geschieht mit Personen, die für eine solche anspruchsvolle Aufgabe nicht ausgebildet sind, also mit Verwandten, Freunden oder mehrsprachigen Praxismitarbeiter*innen. Nun in 1% der Fälle waren die Einsätze mit professionellen Dolmetschern. Die überwiegende Mehrheit der Praxisinhaber*innen (94%) würde eine Zusammenarbeit mit professionellen Dolmetschern begrüßen, wenn dies ein Teil des GKV-Leistungskataloges sein. Patient*innen wurden sogar aufgrund der Sprachbarrieren abgewiesen. Ein Fünftel der Praxen gaben an, dass eine Behandlung aufgrund einer vorherrschenden Sprachbarriere im letzten Quartal nicht durchgeführt werden konnte.

Diskussion

Insgesamt wurde in der Studie deutlich, dass es nachweislich einen substantiellen Anteil an Patient*innen in der diabetologischen Schwerpunktversorgung gibt, die nicht hinreichend Deutsch sprechen. Der Anteil der behandlungsbedürftigen Patienten ohne hinreichende Deutschkenntnisse liegt sicherlich deutlich höher. Aufgrund der eingeschränkten mehrsprachlichen Ausrichtung des Versorgungssystems finden nicht alle Patient*innen ihren Weg in die qualifizierte Versorgung. Darüber hinaus arbeiten Behandler*innen in der Regel mit nicht qualifizierten Dolmetschern. Dies ist überwiegend dem Umstand geschuldet, dass es so gut wie keine Alternativen dazu in der ambulanten Versorgung gibt. Gleichzeitig kann sich eine solche Gesprächskonstellation negativ auf den Behandlungsprozess auswirken.

Ausblick

Neue Wege in der Versorgung nicht deutschsprachiger Patient*innen mit Diabetes sollen mit dem Projekt „Sprachbrücke-DM“, einem sprach- & kultursensibles Kommunikationsmodell, ermöglicht werden. Gemeinsam mit einer interdisziplinären Forschergruppe möchte die Arbeitsgruppe Psychosoziale Migrationsforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die Diabetesbehandlung für Migrant*innen effektiver gestalten und beispielsweise in drei Modellregionen qualifizierte Sprachmittlung für die ambulante Versorgung kostenlos zur Verfügung stellen und deren Wirksamkeit überprüfen.

Projektmitarbeiter:

Mike Mösko, Dr. phil., Dipl.‐Psych., Projektleiter, mmoesko@uke.de
Benjamin Schilgen, B.A. Pflege, M.Sc. Health Sciences, GuKP, b.schilgen@uke.de
Lisanne Raczek, Qualifikandin, Lisanne.Raczek@uni-wh.de