„Heute weiß ich, worauf es im Leben ankommt.“

Jahrelang führt Peter Witthöft ein Leben auf der Überholspur – bis er Ende 2016 während einer Routineuntersuchung erfährt, dass er an einem angeborenen Herzklappenfehler leidet. Nur eine Operation kann ihn retten. Der damals 48-Jährige muss komplett umdenken – und ist heute zufriedener denn je.

 Auch bei der Büroarbeit macht Witthöft nur noch halblang
Auch bei der Büroarbeit macht Witthöft nur noch halblang

Peter Witthöft angelt für sein Leben gern. Jede Woche zieht er zum Fischen los – mal mit, mal ohne Schlafsack und Zelt; bis an die Elbe oder die Ostsee. Dass ihn sein 15-jähriger Sohn heute begleitet, freut ihn besonders. Die Zwei sind direkt nach der Schule Richtung Waldsee gestartet. Früher traf man Witthöft um diese Uhrzeit im Büro des Familien-Bettenfachgeschäfts, wo er rund 60 Stunden die Woche ackerte. Und jetzt geht er angeln, mitten am Nachmittag? „Hier komme ich zur Ruhe und tanke wieder auf, wenn es beruflich mal zu hektisch wird“, erklärt der Geschäftsmann, dem zwei Jahre zuvor Begriffe wie Zeitdruck oder Stress eher fremd waren. Das war, bevor sein Herz beinahe aufgab. Als er fast rund um die Uhr mit Vollgas durchs Leben raste.

Seine Tage begannen damals zwischen drei und vier Uhr morgens. „Sobald ich aufwachte, selbst nach nur vier Stunden Schlaf, stand ich auf und fing direkt an zu arbeiten“, erinnert sich der heute 50-Jährige. Auch in den Ferien sind seine Signale stets auf Empfang geschaltet – zum Leidwesen seiner Familie. „Ich habe meiner Frau und meinem Sohn sicher mehr als einen Urlaub verdorben, weil ich von der Strandliege aus einfach weiterarbeitete“, gesteht er. Ohne eine Beschäftigung wird er rastlos und gereizt. Auf die Spitze trieb Witthöft seinen rasanten Lebensstil vor sieben Jahren, als sich die Familie in einem Hamburger Vorort ein Haus bauen lässt. „Wie es so ist, lief dabei nicht alles glatt. Ich stand mitten in der Nacht auf und versendete Mails mit Anweisungen an Bauleiter und Gewerke – und dies wohl derart in Trance, dass ich mich manchmal gar nicht mehr daran erinnerte.“ Wie ein Getriebener rauscht er durch die Zeit – bis ihm sein Herz ein erstes Alarmsignal sendet. „Ich war im Auto unterwegs, als die Welt um mich herum plötzlich anfing, sich von rechts nach links zu verschieben.“ Sein Puls rast, er verliert das Bewusstsein und kommt mit Verdacht auf Schlaganfall in ein nahegelegenes Krankenhaus. Doch die Mediziner geben schnell Entwarnung – und Witthöft macht einfach weiter wie bisher.

Seit meiner Herz-OP spüre ich zum ersten Mal, was es heißt, ausgeglichen und ohne ständige Stressimpulse zu leben. Das ist ein tolles Gefühl!

Zeit für eine Pause: Peter Witthöft und Ehefrau Ilka
Zeit für eine Pause: Peter Witthöft und Ehefrau Ilka

Sein Herzfehler wird erst vier Jahre später im Rahmen einer Routinekontrolle entdeckt. „Angeborene Herzinsuffizienz“ lautet die Diagnose via Ultraschall. Statt in drei Taschen ist seine Herzklappe nur zweigeteilt und nicht in der Lage, sich vollständig zu schließen. Langfristig führt dieser Zustand zur Überdehnung des Herzmuskels und damit zu einer gefährlichen Schwächung des Herzens. Hat er denn nie etwas bemerkt? Atemlosigkeit beim Treppensteigen, Herzrasen oder Ähnliches? „Nicht direkt“, antwortet Witthöft. „Manchmal fühlte ich mich zwar extrem abgeschlagen oder gereizt, habe dafür aber immer belanglose Erklärungen gefunden. Zu viel Stress, zu wenig Schlaf, das Übliche.“ Anstatt einen Gang zurückzuschalten, drückte er dann noch mehr aufs Gas, um sich aus seinem angenommenen Formtief hinaus zu bugsieren. „Im Nachhinein weiß ich, dass mich der Herzfehler zu diesem atemlosen Lebensstil trieb. So, als hätte mein Körper permanent eine Art Erhaltungskampf führen müssen“, erklärt Witthöft.

Nur drei Monate nach der Erstdiagnose schlägt sein Kardiologe erneut Alarm. Witthöfts Herz ist ungewöhnlich schnell um 1,5 Zentimeter gewachsen. Entweder wird rasch operiert oder es gibt in den nächsten zwölf Monaten auf. „Ich habe immer gedacht, so etwas passiert mir nicht. Mir, der immer sportlich war und auf seine Ernährung achtete.“ Der Geschäftsmann lässt sich nicht unterkriegen und fängt an, medizinische Fachliteratur nach Möglichkeiten der Herzklappenerneuerung zu durchforsten. Doch was er dort über künstliche Klappen erfährt, macht ihm wenig Mut. Insbesondere sorgt ihn die geringe Haltbarkeit organischer Klappen, die auf drei bis sieben Jahre begrenzt ist. Zu kurz für einen 48-Jährigen, der mitten im Leben steht. „Dann stieß ich auf einen Artikel von Prof. Girdauskas, der im Universitären Herzzentrum seit zwei Jahren das Projekt Aortenklappenrekonstruktion leitet und bereits 100 defekte Herzklappen reparieren konnte.“

Ich habe mein Leben komplett umgekrempelt.
Privates und Geschäftliches sind heute strikt getrennt.

Das Bettenfachgeschäft erfordert von dem Ehepaar auch weiterhin großen Einsatz – der ist aber wohldosiert
Das Bettenfachgeschäft erfordert von dem Ehepaar
auch weiterhin großen Einsatz - der ist aber wohldosiert

Herz in Reparatur

Aber was genau bedeutet „Reparatur“? „Anstatt die beschädigte Aortenklappe durch eine künstliche auszutauschen, nutzen wir vorhandenes Gewebe und stellen die Klappe in einer minimalinvasiven Operation wieder her“, erläutert Prof. Dr. Evaldas Girdauskas. Neben dem Vorteil der Haltbarkeit seien Herzklappen aus Eigengewebe auch deutlich resistenter gegen Infektionen.

Ob eine Reparatur auch für Witthöfts Herz in Frage kommt, müssen zunächst zahlreiche Untersuchungen klären. „Ich war extrem erleichtert, als ich erfuhr, dass es auch bei mir funktionieren könnte“, erinnert er sich. Gleichzeitig spürt er die Angst in sich hochkriechen. Was, wenn doch etwas schiefgeht? Wenn er seine Familie nie wieder sieht? Der Mann, der stets ein Kämpfer war, zieht sich zurück und gerät ins Grübeln – auch über den eigenen Tod. Glücklicherweise geht alles gut und im Mai letzten Jahres gelingt es den Chirurgen des Herzzentrums im UKE, Witthöfts zweiflügelige Aortenklappe dreizuteilen. Heute schlägt sein Herz wieder genauso normal wie bei einem Gesunden.

Und nach der Operation ging es weiter wie gewohnt? „Nein, ganz und gar nicht. Ich habe mein Leben komplett umgekrempelt“, sagt Peter Witthöft. Privates und Geschäftliches sind heute strikt getrennt und die Büros in seinem Haus verschwunden. Gearbeitet wird nicht länger als 35 Stunden in der Woche und im Urlaub gar nicht mehr. „Zum ersten Mal spüre ich, was es bedeutet, ausgeglichen und ohne dauernde Stressimpulse zu sein. Für mich fühlt es sich wie ein zweites Leben an!“



Text: Nicole Sénégas-Wulf
Fotos: Axel Kirchhof

Auf der Überholspur - Peter Witthöft im Gespräch mit Life Redakteurin Nicole Sénégas-Wulf

Peter Witthöft im Gespräch mit Life Redakteurin Nicole Sénégas-Wulf