16.05.2023        FORSCHUNG

Neues aus der Forschung

Förderung von UKE-Leitlinienprojekten I Gezielter medikamentöser Therapieansatz bei Vorhofflimmern entdeckt I Kreuzimmunität gegen weiteres SARS-CoV-2-Protein nachgewiesen I Spitrobot: Neues Verfahren zur Beobachtung von Proteinreaktionen

Verbesserung der Gesundheitsversorgung: Förderung von UKE-Leitlinienprojekten

Drei Leitlinienprojekte des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben eine Förderung in Höhe von insgesamt rund 1,3 Millionen Euro vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erhalten.

Gefördert wird die Entwicklung einer Leitlinie zur Therapie von Patient:innen mit einer COVID-19-Erkrankung. Ziel der „Living Guideline“ ist es, sektorenübergreifend aktuelle und evidenzbasierte Empfehlungen für Mediziner:innen bereitzustellen, die Patient:innen mit Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf oder bereits an COVID-19-Erkrankte behandeln. Abhängig von den vorherrschenden Virusvarianten sind jährlich drei Aktualisierungen der Leitlinie geplant. Projektleiter ist Prof. Dr. Stefan Kluge, Klinik für Intensivmedizin des UKE.

Eine Förderung erhält darüber hinaus ein Leitlinienprojekt zur Versorgung von Menschen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Die Leitlinie soll künftig um Empfehlungen zur Versorgung von Zielgruppen mit besonderen Bedürfnissen erweitert werden. Darunter fallen Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen und geflüchtete Menschen. Die Aktualisierung der Leitlinie soll unter anderem mehr Verteilungsgerechtigkeit schaffen und die Versorgung von Menschen mit PTBS weiter verbessern. Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Ingo Schäfer, Klinik für Psychiatrie des UKE.

Das geförderte Leitlinienprojekt „Together4Trans“ umfasst eine interdisziplinäre und integrierte Gesundheitsversorgung für trans* und nichtbinäre Menschen und zielt darauf ab, bestehende Leitlinien in diesem Bereich zu integrieren. Damit werden sowohl Fragen der Diagnostik und Indikationsstellung bei Geschlechtsinkongruenz sowie psychosoziale Aspekte der Gesundheitsversorgung, als auch somatische Behandlungen zusammengeführt. Insgesamt soll das Thema Trans*-Gesundheit als Querschnittsaufgabe in der Medizin und damit in der Versorgungsbreite etabliert werden. Projektleiter ist PD Dr. Timo Nieder, Institut für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE.

Kontakt für Rückfragen: Dr. Christina Lindemann , Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie

Gezielter medikamentöser Therapieansatz bei Vorhofflimmern entdeckt

Dr. Cristina Molina, Arbeitsgruppenleiterin im Institut für Experimentelle Herz-Kreislauf-Forschung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), hat herausgefunden, dass bei Patient:innen mit Vorhofflimmern zu viel Protein Phosphodiesterase 8B (PDE 8B) in den Herzmuskelzellen der Vorhöfe vorhanden ist, das maßgeblich zu Vorhofflimmern führt. Diese Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift European Heart Journal veröffentlicht.

Ionenströme erzeugen elektrische Impulse, die den Herzschlag steuern. Bei chronischem Vorhofflimmern ist der Einstrom von Kalzium-Ionen in die Herzmuskelzellen vermindert. „Warum das so ist, war aber jahrzehntelang unklar, so dass keine Therapie entwickelt werden konnte, die an diesem Prozess ansetzt", sagt Dr. Molina. Jetzt konnte sie herausfinden, dass das Protein PDE 8B dafür verantwortlich ist. Bei Vorhofflimmern ist in den Muskelzellen der Vorhöfe zu viel PDE8B vorhanden, mehr als in den Muskelzellen eines gesunden Herzens. Da PDE8B nur in den Zellen der Herzvorhöfe vorkommt, könnte man diese bei Vorhofflimmern gezielt behandeln. Damit ergibt sich erstmals ein gezielter Angriffspunkt für medikamentöse Therapien gegen Vorhofflimmern. Zurzeit überprüft die Arbeitsgruppe um Dr. Molina einen Wirkstoff, der PDE8B hemmt und momentan in einer klinischen Studie zur Demenz zum Einsatz kommt. Diesen Hemmstoff testen die Forschenden im Labor an Herzmuskelzellen von Patient:innen mit Vorhofflimmern und konnten bereits beobachten, dass dieser die Kalziumströme wieder normalisiert.

Literatur: Pavlidou et al. Phosphodiesterase 8 governs cAMP/PKA-dependent reduction of L-type calcium current in human atrial fibrillation: a novel arrhythmogenic mechanism. European Heart Journal. 2023. DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad086

Kontakt für Rückfragen: Dr. Cristina Molina , Institut für Experimentelle Herz-Kreislauf-Forschung

Breite Kreuzimmunität gegen weiteres SARS-CoV-2-Protein nachgewiesen

Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben kreuzreaktive Immunantworten auf ein weiteres SARS-CoV-2-Protein nachgewiesen. Bei dem sogenannten Nicht-Struktur-Protein-12 (NSP12) stellten die Forschenden in ihrer Studie eine breite Reaktion der T- Zellen des Immunsystems fest – auch bei Proband:innen, die noch nicht an COVID-19 erkrankt waren. Diese T-Zellen sind vermutlich durch eine frühere Infektion mit anderen Corona-Erkältungsviren (CCC) entstanden und reagieren gleichermaßen auf Teile des SARS-CoV-2-Proteins. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler:innen in der Fachzeitschrift Frontiers in Immunology veröffentlicht. Ebenfalls an der Studie beteiligt waren Forschende des La Jolla Institute for Immunology/Kalifornien um Dr. Alessandro Sette.

Die Reaktion der T-Zellen des Immunsystems spielt eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von COVID-19 beziehungsweise hinsichtlich des Krankheitsverlaufs bei einer Infektion. Die Immunreaktion wurde bislang vor allem für das Spike Protein von SARS-CoV-2 untersucht, da es die Grundlage für Impfungen mit einem mRNA-Wirkstoff bildet. „Diese Daten belegen erneut, wie komplex die Immunantwort des Körpers auf SARS-CoV- 2 ist und welch ein langer Weg noch vor uns liegt, um diese vollständig zu verstehen. Weitere Forschungen können nun auf dieser Veröffentlichung aufbauen und intensiver die Interaktion zwischen verschiedenen Atemwegsviren untersuchen“, sagt Erstautor Tim Westphal.

Literatur: Westphal et al. Evidence for broad cross-reactivity of the SARS-CoV-2 NSP12-directed CD4+ T-cell response with pre-primed responses directed against common cold coronaviruses. Frontiers in Immunology. 2023. DOI: https://doi.org/10.3389/fimmu.2023.1182504

Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Julian Schulze zur Wiesch , I. Medizinische Klinik und Poliklinik

Spitrobot: Neues Verfahren zur Beobachtung von Proteinreaktionen

Ein neuartiges Konzept zur Beobachtung von Veränderungen in Proteinen haben Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) mit weiteren Forschungsgruppen der Science City Hamburg Bahrenfeld vorgestellt. Der Spitrobot soll Experimente der zeitaufgelösten Kristallographie vereinfachen und damit auch nichtspezialisierten Forschungsgruppen anspruchsvolle Grundlagenforschung im Gesundheitsbereich ermöglichen. Proteinproben können durch das neue Verfahren in Standardlaboren vorbereitet und anschließend an spezialisierten Röntgenstrahlungsquellen weiterverarbeitet werden. Neben dem UKE sind die Universität Hamburg (UHH), das Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) und das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) an dem Projekt beteiligt. Ihr Konzept haben die Forschenden im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Für die Entwicklung künftiger Medikamente und neuer biotechnologischer Anwendungen ist es von zentraler Bedeutung, dass Wissenschaftler:innen Veränderungen in Proteinen während der laufenden Prozesse nachvollziehen können. Die vielen Zwischenschritte im Zuge einer Reaktion können durch Momentaufnahmen vom Protein visualisiert werden, die Veränderungen der Proteinstruktur zeitaufgelöst aus allen Blickwinkeln zeigen. Für solche Experimente sind bislang komplexe Versuchsaufbauten erforderlich. Der Spitrobot soll nun den gesamten Vorbereitungsprozess der Proben deutlich vereinfachen. Neben etablierten Industriestandards kommen leicht anwendbare Möglichkeiten zum Anregen und Abstoppen der Reaktionen zum Einsatz: Zunächst werden die Reaktionen durch einfaches Mischen der Substratlösung mit den Proteinkristallen gestartet, anschließend erfolgt das Abstoppen der Reaktionen durch schnelles Einfrieren der Proben in flüssigem Stickstoff nach zuvor festgelegten Wartezeiten. Die Datenerfassung kann anschließend an externen Einrichtungen mit etablierten Hochdurchsatzroutinen erfolgen. „Damit kann nun ein breiteres Spektrum an Fragestellungen von der Biotechnologie bis hin zur medizinischen Grundlagenforschung von viel mehr Forschungsgruppen bearbeitet werden“, sagt Dr. Eike Christian Schulz vom Institut für Biochemie und Signaltransduktion des UKE am Standort Science City Hamburg Bahrenfeld.

Literatur: Mehrabi et al. Millisecond cryo-trapping by the spitrobot crystal plunger simplifies time-resolved crystallography. Nature Communications. 2023. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-023-37834-w

Kontakt für Rückfragen: Dr. Eike Christian Schulz , Institut für Biochemie und Signaltransduktion


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