22.04.2024
Tag des Versuchstier: Vereinbarkeit von Tierschutz und wissenschaftlichem Fortschritt
Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erforschen Wissenschaftler:innen unter anderem, warum Menschen an Herz-Kreislauf- und Stoffwechselstörungen, immunologischen oder neurobiologischen Erkrankungen, Infektionen oder Krebs erkranken oder aber die Knochen im Alter schwach werden. Sie wollen Grundlagen von Krankheiten verstehen und neue Therapien entwickeln, um sie in klinische Anwendungen zu überführen. Prof. Dr. Petra Arck, Prodekanin für Forschung des UKE, und Dr. Nadine Wenzel, die gemeinsam mit Dr. Aline Reitmeier die Forschungstierhaltung des UKE leitet, erklären anlässlich des Tags des Versuchstiers, warum die Forschung noch nicht ohne Tierversuche auskommt und wie die Vereinbarkeit von Tierschutz und wissenschaftlichem Fortschritt aussehen kann.
Am 24. April ist der weltweite Tag des Versuchstiers, warum spielen Versuchstiere in der medizinischen Grundlagenforschung auch heute noch eine so wichtige Rolle?
Prof. Dr. Petra Arck: Weil medizinische und biomedizinische Forschungsprojekte wesentlich auf die Arbeit mit Tieren angewiesen sind. Zwar können neue Wirkstoffkandidaten durch Computersimulationen gefunden werden oder Zellkulturen Aufschluss über physiologische Abläufe geben, jedoch kann in vielen Fällen ein Forschungsvorhaben nur dann Erfolg haben, wenn zumindest Teile davon am lebenden Organismus durchgeführt werden. So können beispielsweise Metastasen im Körper bisher nur im Tiermodell untersucht werden, auch die Verbesserung künstlicher Herzklappen ist auf einen lebendigen Organismus mit einem echten Kreislaufsystem angewiesen und Erkrankungen und Operationen am ungeborenen Kind können nur am Tier optimiert werden, bevor sie am Menschen angewendet werden. Und gerade deshalb ist es uns Forschenden so wichtig, dass Bewusstsein für die wichtige Rolle von Tieren in der wissenschaftlichen Forschung zu schärfen und das Wohlergehen der Forschungstiere zu stärken, indem wir die 3R-Prinzipien - Replace (Ersetzen), Reduce (Verringern) und Refine (Verbessern) intensiv zur Anwendung bringen.
Wie werden Versuchstiere ausgewählt und welche Arten von Tieren werden am häufigsten in Versuchen verwendet?
Dr. Nadine Wenzel: Die Wahl der Versuchstiere mit ihren unterschiedlichen biologischen Merkmalen hängt stark von der Art der Forschung ab, die durchgeführt werden soll. Im UKE werden zu 98 Prozent Mäuse für die Grundlagenforschung eingesetzt, die zum Teil gezielte Mutationen aufweisen. Diese Mutationen sind entscheidend, um Krankheitsmechanismen besser zu verstehen zu können. Größere Tiere wie Schweine und Schafe werden hingegen häufiger in der präklinischen und translationalen Forschung eingesetzt. Bei der Auswahl von Versuchstieren müssen zudem ethische und Tierschutzaspekte berücksichtigt werden. Es wird sichergestellt, dass die Verwendung von Tieren gerechtfertigt ist und dass ihre Behandlung und Pflege den höchsten Standards für Tierschutz und Wohlergehen entsprechen. Das heißt, Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn keine alternativen Verfahren verfügbar sind, wenn die Wissenschaftler:innen ihre Sachkunde nachgewiesen haben und wenn das Versuchsverfahren ausführlich von den Tierschutzbeauftragten, einer unabhängigen §15-Kommission und der Genehmigungsbehörde geprüft und genehmigt worden ist.
Wie wird das Wohlergehen der Versuchstiere sichergestellt?
Dr. Wenzel: Es ist entscheidend, dass die Versuchstiere respektvoll behandelt werden. Dies zeigt sich sowohl in ihrer Versorgung als auch im professionellen Umgang mit ihnen vor, während und nach dem tierexperimentellen Versuch. Im UKE sind – fünf Tierärzt:innen als Tierschutzbeauftragte tätig. Wir achten unter anderem auf die Einhaltung von Vorschriften, Bedingungen und Auflagen im Interesse des Tierschutzes. Schon bei der Planung eines Tierversuchs beraten wir die Antragssteller:innen in tierschutzrelevanten und versuchstierkundlichen Aspekten des Vorhabens. Die Tierschutzbeauftragten des UKE überlegen gemeinsam mit den Forschenden, wie bei den unvermeidlich notwendigen Tierversuchen so schonend wie möglich mit den Tieren umgegangen werden kann.
Was würde ein Verzicht auf Tierversuche für die künftige medizinische Entwicklung und Versorgung bedeuten?
Prof. Arck: Ein vollständiger Verzicht auf Tierversuche zum aktuellen Zeitpunkt ist kaum denkbar, da noch keine ausreichenden Alternativen vorhanden sind. Und er hätte weitreichende Auswirkungen auf die zukünftige medizinische Versorgung. Er würde die Entwicklung neuer Medikamente, die Erforschung von Krankheitsmechanismen, die Einführung von medizinischen Innovationen und die Bewertung der Sicherheit von Behandlungen stark behindern. Dies könnte zu einer Verlangsamung der Arzneimittelentwicklung, einer Behinderung der Fortschritte in der medizinischen Forschung und einer Einschränkung der präklinischen Bewertung führen, was letztendlich eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung zur Folge hätte. Wir unterstützen und verfolgen im UKE das Ziel, Tierversuche mehr und mehr zu vermeiden, aber wir sollten sie in der biomedizinischen Forschung so lange einsetzen dürfen, wie sie wissenschaftlich notwendig sind.
19.04.2024
Neue Doppelspitze in der Forschungstierhaltung
Die Forschungstierhaltung hat eine neue Doppelspitze: Dr. Aline Reitmeier und Dr. Nadine Wenzel haben zum 1. März die Leitung übernommen. Die beiden Veterinärmedizinerinnen bringen Erfahrungen in der Begleitung von biomedizinischen Forschungen sowie in der Aus-, Fort- und Weiterbildung mit. Ihr Ziel ist es, eine artgerechte Unterbringung, Pflege sowie medizinische Versorgung der Versuchstiere vor, während und nach den Versuchen zu gewährleisten.
Dr. Aline Reitmeier ist bereits seit zwölf Jahren in der Forschungstierhaltung des UKE tätig und hat ab 2014 den Großtierbereich aufgebaut und geleitet. Als eine von sechs Tierärzt:innen im UKE achtet sie darauf, dass alle Vorschriften des Tierschutzes umgesetzt werden und berät die Wissenschaftler:innen hinsichtlich der Anwendung des 3R-Prinzips bei der Antragsstellung und begleitet die Versuchsabläufe. „Spitzenforschung kann nur gewährleistet werden, wenn die Belastung der Tiere auf dem geringstmöglichen Niveau gehalten wird“, sagt Dr. Reitmeier.
Das UKE ist auch für Dr. Nadine Wenzel kein unbekannter Arbeitsplatz: Ihre Dissertation hat sie an der Medizinischen Fakultät des UKE und an der Tierärztlichen Hochschule Hannover absolviert. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst fünf Jahre in einer tierärztlichen Praxis im Groß- und Kleintierbereich in Namibia, wechselte anschließend an die Medizinische Hochschule Hannover, wo sie für die Durchführung und Leitung von präklinischen Studien an verschiedenen Groß- und Kleintiermodellen im Bereich der Transplantationsimmunologie genetisch veränderter Organe und Blutbestandteile verantwortlich war. Bevor sie wieder ans UKE zurückkehrte, war sie in leitender Position im Bereich „Clinical Simulation“ - der Durchführung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen von Humanmediziner:innen - eines Unternehmens in der Medizinproduktebranche tätig. In der Forschungstierhaltung verantwortet sie jetzt unter anderem den Bereich Nager und Tierschutz: „Ich freue mich auf die neue Herausforderung und werde gemeinsam mit Aline Reitmeier die 3R-Prinzipien - Replace (Ersetzen), Reduce (Verringern) und Refine (Verbessern) – im Rahmen der Versorgung der Forschungstiere vorantreiben. Wir wollen Spitzenforschung im tierexperimentellen Bereich am UKE unterstützen und begleiten und dabei den Tierschutz kontinuierlich weiterentwickeln.“
16.02.2024
Forschungsrealität verzerrt dargestellt
Wir schließen uns der Stellungnahme der Informationsinitiative der Wissenschaft „Tierversuche verstehen“ an, dass die Forschungsrealität in dem NDR-Beitrag „45 Minuten – Das Schicksal der Laborhunde“ vom 20. November 2023 verzerrt dargestellt wurde.“
Hier finden Sie weiterführende Informationen: Forschungsrealität verzerrt dargestellt - Tierversuche verstehen (tierversuche-verstehen.de)
24.04.2023
Versuchstieren mit Respekt und Zuneigung begegnen
Interview mit Tierpflegerin Sarah zum Internationalen Tag des Versuchstiers
Die Tierpfleger:innen Sarah ist im Großtierbereich in der Forschungstierhaltung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) tätig. Sie versorgt Frettchen, Kaninchen, Ratten und Krallenfrösche, sowie Schafe und Schweine. Wie ihre Arbeit aussieht und warum sie sich gern um Versuchstiere kümmert, erklärt sie anlässlich des Internationalen Tags des Versuchstiers am 24. April.
Sarah, für viele Menschen ist es ungewöhnlich als Tierpflegende in einem Universitätsklinikum zu arbeiten. Wie kam es dazu?
Sarah: Tiere haben in meinem Leben immer schon einen hohen Stellenwert eingenommen. Ich bin mit einem Hund aufgewachsen, verbrachte als Kind viel Zeit im Pferdestall und habe während meiner Schulzeit in Berlin bereits mehrere Praktika im tierpflegerischen Bereich absolviert. Mir war schon lange klar, dass ich Tierpflegerin werden wollte. Nach meiner Mittleren Reife las ich in der Zeitung ein Stellenangebot über eine Ausbildung zur Tierpflegerin im UKE. Und dort bin ich jetzt mittlerweile seit zwölf Jahren, erst zur Ausbildung und nun als Tierpflegerin.
Was motiviert Sie, Versuchstiere zu versorgen?
Sarah: Ich finde es gerade für diese Tiere wichtig, dass es ihnen gut geht, auch wenn sie für Forschungszwecke eingesetzt werden. Denn durch die Forschung an Tieren erhalten wir ein besseres Verständnis über Krankheiten und Behandlungsmethoden. Von den Erkenntnissen profitieren nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere. Denn auch sie können schwer erkranken, beispielsweise an Krebs.
Welche Aufgaben haben Sie in der Forschungstierhaltung?
Sarah: Ich bin für die Versorgung der Großtiere verantwortlich, dazu gehören beispielsweise das tägliche Füttern der Tiere, das Reinigen der Käfige und Ausmisten der Ställe. Besonders wichtig ist die tägliche Gesundheitskontrolle der Tiere, gerade bei denen, die in einem Versuch sind. Die werden von uns besonders engmaschig beobachtet und sollte sich ihr Gesundheitszustand verändern, informieren wir umgehend unsere Tierärzt:innen. Wir bauen mit der Zeit eine enge Beziehung zu unseren Tieren auf und können daher ihr Verhalten sehr gut einschätzen.
Halten Sie die Tiere artgerecht?
Sarah: Ich finde „artgerecht“ drückt unsere Haltungsweise nur unzureichend aus. Wir begegnen den Tieren voller Respekt und Zuneigung, setzen uns dafür ein, dass sie keinen Stress erleiden. Sie bekommen zum Beispiel auch die Medikamente und Narkosen von uns Pfleger:innen, da wir mit ihnen besonders vertraut sind. Nach einer Operation begleiten wir sie beim Aufwachen. Den Tieren geht es in ihrem Leben gut. Wir halten sie in Gruppen auf ausreichend Platz und bieten ihnen ein abwechslungsreiches Umfeld.
20.01.2023
Neubau der Forschungstierhaltung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf ist fertiggestellt
Am 20. Januar wurde im Beisein der Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und des UKE-Vorstands die neue Forschungstierhaltung des UKE eingeweiht. Das fünfgeschossige Gebäude kombiniert die hohen Anforderungen an eine moderne Tierhaltung und zeitgemäße Arbeitsplätze. Das Team der Forschungstierhaltung und UKE-Wissenschaftler:innen führten die Interessierten durch die neuen Räumlichkeiten und beantworteten ihre Fragen.
„Solange wir Tierversuche in der Medizin nicht vollständig durch Alternativen ersetzen können, muss es unser Anspruch sein, Forschung mit höchsten Standards beim Tierschutz zu betreiben. Mit dem Neubau der Forschungstierhaltung auf dem UKE-Gelände haben wir einen Ort geschaffen, der zeitgemäße Forschungstierhaltung garantiert. Dadurch sichern wir auch die hohe Qualität der biomedizinischen Forschung am UKE und können sie weiter ausbauen. Wir haben in Hamburg eine 3R-Professur zur Erforschung von Ersatzmethoden für Tierversuche am UKE eingerichtet, durch die alternative Methoden nun noch stärker vorangetrieben werden können. Mein Dank gilt allen, die an der Planung und Bau des neuen Gebäudes beteiligt waren“, sagt Katharina Fegebank, Senatorin der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke.
„Forschung für die Gesundheit der Menschen kommt derzeit noch nicht ohne Tiermodelle aus. Doch wir können dafür sorgen, dass die Tiere optimal versorgt werden und unsere Mitarbeitenden gleichzeitig in einem innovativen Umfeld arbeiten können. Das neue Gebäude vereint Tierschutz und moderne Arbeitsprozesse auf bestmögliche Weise“, sagt Prof. Dr. Christian Gerloff, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE.
„Es liegt in unserer Verantwortung, Tierversuche so schonend wie möglich vorzunehmen und bei jedem neuen Forschungsprojekt auszuloten, welche Alternativen es zum Tierversuch gibt. Viele Arbeitsgruppen des UKE entwickeln bereits jetzt Krankheitsmodelle anhand von Zellkulturen. Mit unserer 3R-Professur wollen wir weitere Impulse setzen und unser Forschungsspektrum zu diesen Alternativmethoden noch stärker ausbauen“, sagt Prof. Dr. Blanche Schwappach-Pignataro, Dekanin der Medizinischen Fakultät und Vorstandsmitglied des UKE.
Neubau für mehr Tierwohl
Der fünfgeschossige Neubau mit Keller entstand nach Plänen der Klinik Facility Management Eppendorf (KFE) des UKE, das auch für die vollständige Bauplanung und die Koordinierung der rund 16 am Bau beteiligten Unternehmen verantwortlich war. Es ersetzt nun das alte Tierhausgebäude aus der Nachkriegszeit. Parallel zum Neubau wurde mit der Sanierung eines erhaltenswerten Bestandsgebäudes begonnen, welches nach Abschluss der Sanierung mit dem Neubau verbunden wird. Nach dem Umzug der Tiere wird der Altbau zurückgebaut. Dort entsteht im zweiten Bauabschnitt ein Gebäude für Personal-, Seminar- und Büroräume der Forschungstierhaltung. Die gesamte Nutzfläche der Forschungstierhaltung (Neubau und Bestandsgebäude) von zuvor rund 3.400 Quadratmetern sinkt auf rund 2.900 Quadratmeter. Die Baukosten belaufen sich auf rund 32,0 Mio. Euro und werden von der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert. Im Untergeschoss werden die Großtiere wie Schweine und Schafe, Frettchen, Krallenfrösche und Kaninchen untergebraucht, darüber im Erdgeschoss befinden sich Lagerflächen. Im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss werden die Mäuse und Ratten gehalten. Im vierten Obergeschoss ist die Lüftungstechnik installiert, die es ermöglicht, die neuen Räumlichkeiten energieeffizient und bei gleichzeitiger Wärmerückgewinnung zu beheizen.
In der neuen Tierhaltung werden bisher baulich getrennte Haltungsbereiche zusammengelegt und die Haltungssysteme auf dem neuesten Stand der Technik modernisiert. Unter anderem werden die Trinkflaschen für die Mäuse nun in einer teilautomatisierten Flaschenwaschanlage gereinigt. Schwere physische Tätigkeiten der Mitarbeitenden wie das Reinigen der Tierkäfige werden künftig von einer auf Robotertechnik basierenden Käfigaufbereitungsanlage und einem Vakuumver- und -entsorgungssystem für Einstreu übernommen. So verbessert sich auch die Ergonomie für die Mitarbeitenden in den neuen Räumlichkeiten.
19.12.2022
Verbesserte Tierhaltung: Die Forschungstierhaltung des UKE bezieht neue Räume
Zum Frühjahr 2023 bezieht die Forschungstierhaltung des UKE neue Räumlichkeiten in einem vierstöckigen, energieeffizienten Neubau.
Die hellen Räumlichkeiten bieten ein angenehmes Umfeld sowohl für die Mitarbeitenden der Forschungstierhaltung als auch für die Versuchstiere. Eine integrierte Belüftungsanlage ermöglicht es, die neuen Räumlichkeiten energieeffizient und bei gleichzeitiger Wärmerückgewinnung zu beheizen.
In der Tierhaltung können bisher getrennte Tierhaltungsbereiche zusammengelegt werden. Das ermöglicht eine Modernisierung des Haltungssytems . Schwere physische Tätigkeiten wie das Reinigen der Käfige der Versuchstiere werden zukünftig durch maschinelle Unterstützung dieser Arbeiten effizienter und einfacher für die Mitarbeitenden durchzuführen.
So kann im Neubau etwa die Reinigungsmittelmenge zentral gesteuert werden. Die Trinkflaschen für die Mäuse werden nun in einer teilautomatisierten Flaschenwaschanlage gereinigt.
Die gesamte Nutzfläche der Forschungstierhaltung von zuvor rund 3.400 Quadratmetern sinkt auf rund 2.900 Quadratmeter. Auch der Mitarbeitendenschutz wird in den neuen Räumlichkeiten verbessert.
22.04.2022
Tierversuche verstehen: Zwischen Tierschutz und wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn
In der tierexperimentellen Forschung gilt es, höchste wissenschaftliche Qualität und hohe Tierschutzstandards gleichermaßen sicherzustellen. Zum Tag des Versuchstiers erklären Forschungsdekanin Prof. Dr. Petra Arck und Dr. Dr. Angelique Hölzemer, I. Medizinischen Klinik und Poliklinik, wie das gelingen kann.
Das UKE hat in den vergangenen Jahren verstärkt Methoden zur Reduzierung und Vermeidung von Tierversuchen entwickelt. Ist der Tierversuch bald überflüssig?
Prof. Dr. Arck: Tierexperimentelle Studien sind in der medizinischen Grundlagenforschung und in der translationalen Forschung nach wie vor unverzichtbar. Im Tierversuch können Abläufe und Mechanismen von Krankheiten untersucht werden, von denen wir bisher keine Kenntnis haben, die wir erst einmal entdecken müssen und deren Zusammenhänge wir innerhalb des Organismus erforschen. Durch Tierversuche werden wissenschaftliche Fragestellungen oder Therapieverfahren überprüft, die in anderen verfügbaren Systemen, wie In-Vitro-Modellen, nicht verifizierbar sind. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: Für die Entwicklung und Überprüfung der neuen Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 waren Tierversuche notwendig, um nachzuweisen, dass der Impfstoff eine Immunantwort in Form schützender Antikörper auslöst, aber keine schädliche Wirkung hat.
Können durch die Organoide Tierversuche in Teilen ersetzt werden?
Dr. Dr. Hölzemer: Gemeinsam arbeiten wir daran, die zerebralen Organoide dafür zu nutzen, die Anzahl der Tierversuche in der Multiplen Sklerose-Forschung zu reduzieren. Ein konkreter Ansatz ist beispielsweise, dass wir bestimmte Gene, von denen wir annehmen, dass sie Nervenzellen vor dem entzündlichen Einfluss der Immunzellen im Gehirn schützen können, zuerst in unseren zerebralen Organoiden untersuchen. So können wir testen, ob diese Gene die Kommunikation zwischen menschlichen Nervenzellen und den Immunzellen des Gehirns verändern und den Untergang der Nervenzellen beeinflussen. Nach diesem ersten Schritt können dann die vielversprechendsten Kandidaten ausgewählt und nur noch sehr selektiv in Tiermodellen untersucht werden.
01.07.2021
UKE tritt Informationsinitiative „Tierversuche verstehen“ bei
Die größtmögliche Wirksamkeit bei der Entwicklung von Therapien mit einem Maximum an Tierschutz zu verbinden, ist seit langem ein wichtiges Anliegen des UKE. Um dieses Ziel auch der Öffentlichkeit näherzubringen, unterstützt das UKE seit dem 1. Juli die Initiative „Transparente Tierversuche“, eine Aktion der ständigen Senatskommission für tierexperimentelle Forschung der DFG und der Informationsinitiative „Tierversuche verstehen“. Darüber sprachen wir mit der Dekanin der Medizinischen Fakultät Prof. Dr. Blanche Schwappach-Pignataro und der Forschungsdekanin Prof. Dr. Petra Arck des UKE.
Warum unterstützen Sie die Initiative „Transparente Tierversuche“?
Prof. Schwappach-Pignataro: Tierversuche stellen einen wichtigen Teil in der medizinischen Grundlagenforschung dar und sind bisher noch nicht vollständig durch alternative Methoden ersetzbar. Wir Wissenschaftler:innen tragen daher eine große Verantwortung für die Experimente und die wollen wir auch nach außen sichtbar machen. Vor jedem Tierversuch wird sorgfältig und von unabhängiger Seite geprüft und abgewogen, ob der zu erwartende Erkenntnisgewinn eines Experiments eine Beeinträchtigung des Versuchstiers rechtfertigt. Für uns ist es wichtig, darüber zu informieren, warum und in welcher Form wir Tierversuche machen. Daher unterstützen wir die Initiative „Transparente Tierversuche“.