Läuft wieder

Wer gern und viel läuft, kennt das nur zu gut. Mal zwickt es hier, mal dort. Und kommt es knallhart, verletzt man sich und muss wochenlang aussetzen. Wie Jochen Sommer, der sich mitten in der Marathonvorbereitung einen Meniskusriss zuzieht. Anstelle von 42,2 Kilometern steht plötzlich eine OP im Raum. War die ganze Mühe umsonst?

Texte Nicole Sénégas-Wulf, Fotos: Axel Kirchhof

Kniepatient Athleticum beim Hamburg-Marathon
Hamburg-Marathon 2023
Ab Kilometer 30 ging es für Jochen Sommer bergab

Gut gelaunt und bei bestem Frühlingswetter steht Jochen Sommer Ende April 2023 in Hamburg am Startpunkt: Heute absolviert er seinen ersten Marathon. Wochenlang hat er intensiv trainiert. Sein Wunsch? Unter dreieinhalb Stunden zu laufen. Bis Kilometer 30 sieht alles gut aus. Er genießt die ausgelassene Stimmung an der Strecke. Die Jubelrufe des Publikums treiben ihn vorwärts. „Dann kam der Hammer“, erinnert sich der 48-Jährige. Von einer Sekunde auf die andere macht die Wade dicht, er schafft es gerade noch bis zur mobilen Massagestation. „Dort haben sie mich für die letzten Meter wieder zurechtgebogen, sodass ich – zwar nicht in der erhofften Zeit, aber erleichtert – ins Ziel kam.“

Laufen bedeutet Jochen Sommer mehr als nur Sport. Es ist Mindset, ein starker Motor, selbst gesteckte Ziele zu erreichen, den Kopf frei zu bekommen und mit Freunden Gemeinschaft zu erleben. „Das Schöne ist, dass man quasi immer und überall laufen kann.“ Auf Reisen hat er deshalb sein Schuhwerk stets im Gepäck. „Ich genieße es, neue Umgebungen laufend zu erkunden. Besonders in Oslo und Amsterdam gibt es tolle Routen abseits der touristischen Hotspots.“

Seine Laufleidenschaft lässt Sommer die verpasste Traumzeit beim Hamburg-Marathon schnell vergessen, sodass er sich kurz darauf für den Stadtlauf in Bremen anmeldet. „Als Werder-Fan freute ich mich natürlich besonders auf den Streckenabschnitt durchs Weserstation“, zwinkert der Wahlhamburger, der beim Freizeitkick mit Freunden auch selber gern am Ball ist. So auch während eines Familienurlaubs auf Fehmarn, der mitten in die nächste Marathonvorbereitung fiel. „Wir spielten auf einem klassischen Fußballacker mit zig Löchern im Boden. Im Zweikampf blieb mein linkes Bein plötzlich im Rasen stecken, während der restliche Körper schon in einer anderen Richtung unterwegs war. Mein linkes Knie knirschte und ich wusste gleich: Das hört sich nicht gut an.“ Und dann? „Habe ich nach einer kurzen Pause einfach weitergespielt“, gesteht er.

Läuft wieder Athleticum Knie
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Athleticum 2024
Training unter Anleitung war der Schlüssel zur Genesung

Physiotherapie und Training statt OP

Dass dies keine gute Idee war, merkt Sommer bereits kurz nach dem Abpfiff. Das Knie schmerzt, besonders unter Belastung. An Lauftraining ist nicht zu denken. Nach einem Besuch beim Orthopäden bringt eine MRT-Aufnahme Klarheit: Korbhenkelriss im Meniskus, wobei sich der gerissene Meniskus wie ein Henkel über die Gelenkfläche klappt. „Sie können direkt beim Chirurgen anrufen, das muss operiert werden“, erklärt ihm der Arzt. Sommer hat den Hörer fast in der Hand, als ihm eine Freundin dazu rät, eine Zweitmeinung im UKE Athleticum einzuholen. Dort sei man auf Sportverletzungen spezialisiert. „Einen Versuch ist es wert“, denkt Sommer und vereinbart einen Termin.

Eine gute Entscheidung. Nach einer weiteren, ausführlichen Diagnostik im Athleticum ist die Operation erstmal vom Tisch. Wie kam es zu dieser Einschätzung? „Wir vertreten den Ansatz, dass man der konservativen Therapie nach Verletzungen wie dieser eine Chance geben sollte“, erklärt Dr. Stephan Uschok, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie im UKE Athleticum. Hierfür bietet das Universitäre Kompetenzzentrum für Sport- und Bewegungsmedizin ein breites Spektrum an kombinierten Therapieoptionen an. „Wir erstellen einen fallbezogenen, individuellen Behandlungsplan, der unterschiedliche Fachdisziplinen zusammenführt“, so Dr. Uschok weiter.

Jochen Sommer erhält über zehn Wochen eine Kombination aus Physiotherapie und sportmedizinischen Einheiten. Seine Fortschritte werden regelmäßig nach der sportwissenschaftlichen Return-to-Activity-Testung (RTA), einer vierstufigen Testreihe, welche den aktuellen Status nach einer Verletzung oder Operation aufzeigt, bewertet und ärztlich eingeordnet. „Die verordnete Trainingspause war natürlich hart. Aber toll fand ich, dass ich durch die Sporttherapie aktiv dazu beitragen konnte, wieder fit zu werden“, sagt Sommer.

Zweimal pro Woche absolviert er im Athleticum ein gezieltes Kräftigungs- und Mobilitätsprogramm, um den im Knie geschädigten Bereich und die umgebende Muskulatur zu stärken. Die durch das Trauma entstandenen Verspannungen werden in der Physiotherapie gelöst. „Für mich ergab dieser fachübergreifende Behandlungsansatz von Anfang an Sinn, weil so alle Aspekte meiner Verletzung berücksichtigt wurden.“ Stück für Stück arbeitet Sommer auf die vierstufige RTA-Testung hin – und besteht nach nur vier Wochen bereits Level 2, den Sprungtest. „Das bedeutete grünes Licht für lockeres Lauftraining und war für mich eine Riesenerleichterung.“ Den Bremer Marathon hatte der Laufliebhaber zwar längst abgehakt. Aber den nächsten in Hamburg wollte er um nichts in der Welt verpassen.

Läuft wieder Knie Athleticum
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Eppendorfer Park 2025
Laufrunde zusammen mit Autorin Nicole Sénégas-Wulf

Hamburg-Marathon schon geschafft

Kurz nach Therapieende steigt Sommer ins Training ein – mit 50 bis 70 gelaufenen Kilometern pro Woche – und steht am 28. April 2024 an den Messehallen tatsächlich wieder am Startpunkt. Wie ging es dem Knie danach? „Das hat gehalten. Bis ins Ziel und auch darüber hinaus“, lacht er. Das Athleticum verlässt er nicht nur schmerzfrei, sondern auch mit vielen wertvollen Tipps für ein gesundes Training. „Zu jeder Sportart gehört für mich heute eine Aufwärm- und Dehnungsphase und regelmäßige Kraftübungen, um Verletzungen vorzubeugen“, sagt er.

In diesem Jahr steht der Hamburg-Marathon nicht auf seinem Plan. Die nächsten 42,2 Kilometer will er sich im Herbst in Bremen vornehmen. „Eine Rechnung habe ich mit dem Marathon noch offen: meine Wunschzeit zu laufen, die habe ich bisher noch nicht geknackt.“ Und auch auf dem Fehmarner Fußballacker will der Werderaner demnächst wieder um jeden Ball kämpfen und die grün-weiße Fußballehre engagiert verteidigen.

Dr. Uschok Athleticum
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Dr. Stephan Uschok

„Gute Vorbereitung ist alles“

Medizinisch betreut wie ein Profi – diese Option haben im UKE Athleticum auch verletzte Freizeitsportler:innen. Was das Universitäre Kompetenzzentrum für Sport- und Bewegungsmedizin besonders macht, ist sein ganzheitlicher Ansatz: Es bündelt Wissen aus verschiedenen sportmedizinischen Disziplinen unter einem Dach und ermöglicht so eine umfassende Diagnostik und ein breites Therapiespektrum.

„Die häufigsten Sportverletzungen, die wir sehen, sind Meniskus- und Kreuzbandverletzungen, Sehnenreizungen oder Bänderrisse“, sagt Dr. Stephan Uschok, Orthopäde und Unfallchirurg im UKE Athleticum. Sie entstehen meist bei Start-Stopp-Sportarten wie Fußball oder Basketball, die mit schnellen Richtungswechseln und Gegnerkontakt einhergehen. Auch wenn nicht jeder Unfall zu verhindern ist, gibt es einfache Maßnahmen, das Risiko zu minimieren. „Gute Vorbereitung ist alles. Wichtig ist, sich vor dem Training aufzuwärmen. Das kurbelt die Durchblutung an und macht die Muskeln elastischer“, erklärt Dr. Uschok. Zusätzlich sollten Sportler zwei- bis dreimal pro Woche ein Athletiktraining einplanen. Starke Muskeln schonen die Gelenke.

Und wenn es im Eifer des sportlichen Gefechts doch zur Verletzung kommt? „Jeder Behandlung geht im Athleticum eine umfassende Diagnostik voraus“, so Dr. Uschok. Dabei arbeiten unterschiedliche Fachdisziplinen – Sportmediziner:innen, Athletiktrainer:innen und Physiotherapeut:innen – von Beginn an eng zusammen. „Durch diese Verzahnung können wir uns Beschwerden aus verschiedenen Blickwinkeln nähern und eine individuell zugeschnittene Kombi-Therapie entwickeln.“ Das Angebot reicht von Bewegungs- und Physiotherapie bis hin zu Behandlungen mit Blutegeln bei Arthrose oder Sehnenentzündungen und Injektionen mit Eigenblut (ACP) zur Unterstützung des Heilungsprozesses.

Das Athleticum ist eine für alle Sportler:innen offene Privatambulanz. Ob die Kosten für eine Therapie oder sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung etwa im Rahmen von Kooperationen auch von gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, ist im Einzelfall abzuprüfen. Mehr Infos unter www.uke.de/athleticum .