Anthropologische Gutachten

Arbeitsbereich forensische Anthropologie und Archäologie

Die forensische Anthropologie / Osteologie ist durch eine enge Kooperation mit der Rechtsmedizin gekenn­zeichnet. Kernziel unserer Arbeit ist die Identi­fikation von Skeletten bzw. Skelettresten, bei der vor allem anthropologisches Fachwissen, umfang­reiche osteologische Kenntnisse sowie Kennt­nisse der normalen Variabilität des Menschen gefordert sind.

Was sind Aufgaben von forensischen Anthropologen?

  • Die Begutachtung und Dokumentation von kleinsten Knochenfunden bis hin zu vollständigen Skeletten. Zur Anwendung kommen die klassischen Methoden der Alters- und Geschlechtsbestimmung, der Körperhöhenschätzungen und der Rekonstruktion individueller Lebenslaufparameter:
  • Speziesbestimmung (menschlicher oder tierischer Ursprung)
  • Individualität (Skelettelemente einer oder mehrerer Personen)
  • Geschlechtsbestimmung
  • Altersbestimmung
  • Körperhöhenschätzung
  • Feststellung individueller identifizierender Merkmale (z.B. Krankheit, ältere Verletzungsspuren)
  • Zahnstatus / Gebissbefund

Zusätzlich werden taphonomische Veränderungen und Anzeichen von prä-, peri- oder postmortalen Verletzungen (ggf. todesursächliche Verletzungen) dokumentiert. Auf Wunsch werden CT-Aufnahmen angefertigt sowie eine DNS-Analyse und / oder eine Radiokarbondatierung (C14-Datierung) angefordert.

Wann sollte die forensische Anthropologie helfen?
Forensische Anthropologen sollten bei der Auffindung von Knochen (z. B. im Wald oder bei Bauarbeiten) hinzugezogen werden, um eine mögliche forensische Relevanz zu überprüfen.

Bei diesen eher zufälligen Knochenfunden sollten zuerst die Befund­umstände und Informationen zum Fundort (z. B. alte Friedhöfe) ermittelt werden. Eine genaue Untersuchung der Fundumstände kann davor bewahren, historische Überreste als forensisch relevante Fälle aufzunehmen. Das wichtigste Ziel einer forensisch-osteologischen Bearbeitung ist die Identifikation. Durch den fehlenden räumlichen Zusammenhang zwischen Fundort und dem früheren Lebensumfeld der unbekannten Person ist der Ermittlungsaufwand relativ hoch. Hilfreich ist die sorgfältige Dokumentation sämtlicher Spuren am und in der Nähe des Fundorts.

Bergung bzw. Exhumierung von Skeletten und Skelettresten
Bei einer geplanten Bergung oder Exhumierung von menschlichen Überresten ist es für alle weiteren Untersuchungsverfahren dringend zu empfehlen, dass wir schon bei der Prospektion des möglichen Fundortes unterstützen.
Kommt es zu einer Grabung und Bergung von menschlichen Überresten, sind Grundkenntnisse über archäologische Grabungstechniken erforderlich. Befunde aus der Fundsituation können wichtige Hinweise auf die Befundumstände – insbesondere bei Verdacht auf ein Tötungsdelikt – und vor allem Informationen für die Einschätzung der Liegezeit liefern (siehe Liegezeitbestimmung). Zu diesen Befunden zählen neben Kleidungsresten, Gegenständen, die für die Einschätzung der Fundsituation wichtig sind, z. B. Projektile oder Sargreste, sowie Bodenproben, Insektenproben, Pollenproben und Pflanzenproben.
Eine sachgerechte Bergung der menschlichen Überreste / Skelettreste und aller denkbaren Beweismittel sowie eine vollständige Dokumentation (Foto, Einmessen) sind für die anschließende anthropologische Untersuchung notwendig. Im Idealfall sollte die Bergung von dem späteren Untersucher selbst durchgeführt werden.
Ziel einer Skelettbergung ist es, Hinweise auf die Befundumstände und Informationen für die Liegezeiteinschätzung sowie für die Identifikation zu klären!

Liegezeitbestimmung (PMI postmortaler Intervall)
Die Liegezeitbestimmung ist eine der schwierigsten Fragestellungen in der forensischen Osteologie / Anthropologie. Ursächlich dafür ist die von zahlreichen Faktoren abhängige große Variabilität der Dekompositionsvorgänge. Genaue Kenntnisse von Fundumständen, Fundort und Umgebung sowie die morphologischen Befundung sind notwen­dig um die Liegezeit einschätzen zu können.
Anhand von Oberflächenveränderungen der Knochen sind Rückschlüsse auf Einwirkfaktoren möglich, wie z. B. Verdrückungen, Risse, Fraßspuren usw. Zusätzlich aufgefundene Gegenstände gestatten eine archäologische Zuweisung zu definierten Kulturepochen. Gelegentlich kann man sich an geologischen Leithorizonten oder anderen Bodenverfärbungen orientieren.
Um eine forensische Relevanz ausschließen bzw. einen historischen Kontext nachweisen zu können (Liegezeiten über 50 Jahre) sollte ggf. eine Liegezeitbestimmung mit Hilfe der Radiokarbon (C 14) Datierung erfolgen.

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