Nähe in Zeiten des Abstandsgebots

Klinikaufenthalte können Patientinnen und Patienten belasten – über das zu sprechen, was sie bewegt, hilft vielen dabei, mit der ungewohnten Situation umzugehen. Die Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger bieten Interessierten Besuch, Gespräch und Begegnung an. Sie tun ihr Bestes, um auch unter Einhaltung der bestehenden Distanz- und Hygienemaßnahmen Kontakt zu ermöglichen.

Von schwerer Erkrankung betroffen zu sein. Sich in der ungewohnten Umgebung einer Klinik aufzuhalten. Dem eigenen Tod bedrohlich nahe zu kommen. Es gibt viele Gründe, warum Patientinnen und Patienten um ein seelsorgerisches Gespräch bitten. „Einige der Menschen, die wir bei unserer Arbeit aufsuchen, wurden mitten aus dem Leben gerissen“, erzählt Pastorin Ute Schöttler, Krankenhausseelsorgerin im UKE. „Sie hatten unter Umständen schon vor ihrem Krankenhausaufenthalt schwierige Situationen zu bewältigen, die ihnen nun unlösbar erscheinen. Oder sie leiden unter Einsamkeit, haben keine Angehörigen und niemanden, der sie besucht.“

Die Seelsorgerinnen und Seelsorger im UKE begegnen Hilfesuchenden in solchen und ähnlichen Situationen mit einer respektvollen, aufmerksamen Haltung sowie der Bereitschaft, zuzuhören, sich einzufühlen, Schweres mit auszuhalten und für den anderen da zu sein – im Einzelfall auch über Medien wie Telefon oder Videochat. „Für ein intensives Gespräch über persönliche Fragen ist das keineswegs ideal“, sagt Schöttler. Manchmal könne schon die reine Anwesenheit bei jemandem etwas bewegen. „Am Telefon zu sprechen, ist einfach nicht dasselbe.“

Haart und Schöttler
Raum der Stille
Einkehrmöglichkeit für Patientinnen, Patienten und Beschäftigte

Belastendes Besuchsverbot

Das zurzeit aufgrund der Corona-Pandemie geltende Besuchsverbot belaste viele Patientinnen und Patienten sehr, berichtet Schöttler. „Einige liegen schon sehr lange im Krankenhaus und verlieren durch die fehlenden Sozialkontakte fast den Bezug zur Welt“, so die Seelsorgerin. „Manche können aufgrund ihrer schweren Erkrankung nicht telefonieren und sind quasi komplett von der Außenwelt abgeschlossen. Doch Menschen brauchen Mut, um eine lange Krebstherapie durchzuhalten, um auf eine lebensverlängernde Organtransplantation zu warten, um schwere psychische Krisen durchzustehen.“

Eine weitere Hürde der Corona-Maßnahmen: Die rund 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhausseelsorge dürfen das UKE-Gelände zurzeit nicht betreten. Nur die fünf hauptberuflichen Seelsorgerinnen und Seelsorger können in Einzelfällen und unter strengen Hygieneauflagen Patientinnen und Patienten direkt am Krankenbett besuchen. Pastorin Schöttler: „Eine Person von uns steht bereits, Patientinnen und Patienten, die mit dem Corona-Virus infiziert sind, zu betreuen. Die betreffende Person darf dann aber nicht mehr auf anderen Stationen eingesetzt werden.“

„Für uns spielt Konfession unseres Gegenübers keine Rolle“

Dr. Dorothee Haart ist gleichfalls in der Seelsorge im UKE tätig. Während ihre Kollegin Ute Schöttler der evangelischen Kirche angehört, ist sie katholische Pastoralreferentin. „Häufig rufen uns Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zur Krisenintervention, um zeitnah Betroffene, Angehörige oder das Behandlungsteam zu unterstützen. Für uns spielt es keine Rolle, welcher Konfession unser Gegenüber angehört, ob die Person an einen anderen Gott glaubt oder an überhaupt keinen“, so Haart. „Alle Menschen tragen etwas in sich, das ihnen Kraft gibt. Gemeinsam herauszufinden, was das ist, diesen Schatz zu heben – darum geht es grundsätzlich bei unserer Arbeit.“

Menschen zu stärken, sie zu trösten, ihnen in schwierigen Phasen, in denen sie stecken, beizustehen, ihnen wieder herauszuhelfen – in Ute Schöttlers über 30-jähriger Berufstätigkeit, zuerst als Pastorin und später als Krankenhausseelsorgerin, gab es wohl noch keine Zeit, in der so viele Menschen einen auch nur annähernd ähnlichen Bedarf an seelischem Zuspruch hatten. Die Aussicht auf ein Weihnachten ohne die vertrauten Zusammenkünfte wie sonst in jedem Jahr ist für Patienten bedrückend. „In Zeiten von Corona ermutige ich die Angehörigen, eine Karte oder ein Päckchen zu schicken.“ Reale, physische Post habe eine andere Qualität als eine schnelle Whatsapp oder SMS, so die Pastorin. Weihnachten erinnere daran, dass „Gott Mensch unter uns Menschen geworden ist – unabhängig davon, ob und wie wir dieses Jahr feiern können.“

Text: Katja Strube, Fotos: Eva Hecht (Stand: 18. Dezember 2020)