01.06.2023 AKTUELLES
Seltene Augenerkrankung erkennen und behandeln
Fragen an... Priv.-Doz. Dr. Johannes Birtel
Die Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) bietet eine Sprechstunde für seltene Augenerkrankungen an: Dort werden Patient:innen mit erblichen und komplexen Netzhauterkrankungen behandelt. Für Menschen zwischen 21 und 60 Jahren sind erbliche Netzhauterkrankungen die häufigste Ursache einer schweren Sehbehinderung oder Erblindung. Priv.-Doz. Dr. Johannes Birtel, Oberarzt in der Augenklinik des UKE, leitet die Sprechstunde. Zum diesjährigen Sehbehindertentag am 6. Juni erklärt er, welche Diagnose- und Therapiemöglichkeiten es bei erblichen Netzhauterkrankungen gibt.
Was versteht man unter einer erblichen Netzhauterkrankung des Auges?
Priv.-Doz. Dr. Johannes Birtel: Unter erblichen Netzhauterkrankungen wird eine Vielzahl seltener Augenkrankheiten zusammengefasst, die durch Veränderungen in der Erbinformation entstanden sind und zumeist zu einer fortschreitenden Netzhautdegeneration beider Augen führen. „Klassische“ erbliche Netzhauterkrankungen sind Retinitis pigmentosa, Morbus Stargardt, Choroideremie, Makuladystrophien oder Zapfen-Stäbchen-Dystrophien. Erbliche Augenerkrankungen können prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten und verlaufen ganz unterschiedlich. Sie machen sich anfangs oftmals durch recht unspezifische Anzeichen bemerkbar, wie schlechteres Sehen im Dunkeln, Schwierigkeiten beim Lesen, eine vermehrte Lichtempfindlichkeit oder Ausfälle des Gesichtsfelds. Da diese Symptome auch bei zahlreichen anderen Augenerkrankungen auftreten, kann eine Abgrenzung zu anderen Sehstörungen herausfordernd sein.
Sie bieten eine spezialisierte Sprechstunde für diese Patient:innen an, warum?
Viele Patient:innen haben eine jahrelange Odyssee bei unterschiedlichen Fachärzt:innen hinter sich, bevor eine eindeutige Diagnose gestellt wird. Eine korrekte Diagnosestellung ist aber enorm wichtig, da diese starke Auswirkungen auf die Lebensplanung von Patient:innen haben kann. Insofern ist eine frühzeitige und präzise Diagnose für Patient:innen und ihre Angehörigen von großer Bedeutung. In Norddeutschland gibt es nur sehr wenige spezialisierte Zentren, die Patient:innen mit diesem komplexen Krankheitsbild behandeln und eine multidisziplinäre Diagnostik anbieten.
Wie kann eine erbliche Augenerkrankung erkannt werden?
Die Diagnostik einer erblichen Netzhauterkrankung besteht aus einer detaillierten Anamnese und aus umfassenden klinischen Untersuchungen mit Testung der Sehfunktion sowie aus einer umfassenden, multimodalen Bildgebung der Netzhaut. Mit diesen Untersuchungen kann eine Unterscheidung von verschiedenen erblich bedingten Netzhauterkrankungen sowie eine Abgrenzung zu „herkömmlichen“ Netzhauterkrankungen erreicht werden. Ein zentraler Pfeiler in der Diagnostik von erblichen Netzhauterkrankungen ist auch die molekulargenetische Untersuchung: Die Identifizierung der genetischen Erkrankungsursache kann Anhaltspunkte über den potenziellen Krankheitsverlauf sowie die Vererbbarkeit liefern und bildet eine wichtige Basis für Behandlungen. Die Molekulargenetik kann ebenfalls unerwartete Diagnosen nahelegen und weitere Abklärungen (u. a. Hörfunktions-, Nierenfunktions-, Fettstoffwechselstörungen) leiten.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es und wie erfolgreich sind diese?
Erbliche Netzhauterkrankungen sind größtenteils aktuell nicht behandelbar, mit Fortschreiten der Erkrankung wird das Sehen zumeist schlechter und es kann zur Erblindung kommen. Zugelassen ist aktuell eine Gentherapie für Patient:innen mit Mutationen im sogenannten RPE65-Gen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass weitere Gentherapien und andere Therapien künftig in den klinischen Alltag etabliert werden. Weltweit und auch bei uns im UKE wird an den Möglichkeiten der gentherapeutischen Behandlung geforscht. Manche Patient:innen können durch die Behandlung von sekundären Veränderungen wie Linsentrübungen oder einem Makulaödem profitieren.
Was empfehlen Sie den Betroffenen?
Erbliche Netzhauterkrankungen können zu starken Beeinträchtigungen führen – im alltäglichen Leben, physisch wie auch emotional. Sowohl für Patient:innen als auch für ihre Familien ist eine präzise und umfassende Diagnose entscheidend, um sich auf lebenslange Auswirkungen der Erkrankung sowie auf einen potenziell fortschreitenden Sehkraftverlust vorzubereiten. Wir betreuen die Patient:innen im UKE mit einem multidisziplinären Team. Darüber hinaus empfehle ich meinen Patient:innen, ihre Erfahrungen mit anderen Betroffenen auszutauschen, zum Beispiel in Patientenvereinigungen wie der PRO RETINA Deutschland e.V. Auch können verschiedene Hilfsmittel den Alltag erleichtern. Das Spektrum reicht von Lupen und anderen vergrößernden Sehhilfen bis hin zu diversen elektronischen Hilfsmitteln wie sprechenden Uhren, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
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