01.08.2023        FORSCHUNG

Neues aus der Forschung

Schwere COVID-19-Verläufe: Störungen des autonomen Nervensystems nachgewiesen I Neue Selbsthilfetechnik gegen körperbezogene Verhaltensstörungen I COGITO-App für Kinder und Jugendliche ist online

Schwere COVID-19-Verläufe: Störungen des autonomen Nervensystems nachgewiesen

Störungen des autonomen Nervensystems treten häufig bei schweren Krankheitsverläufen von COVID-19 auf – dies haben Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) festgestellt. Im Fokus ihrer Untersuchungen stand der Vagusnerv. Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Komponente des autonomen Nervensystems, die wichtige Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Verdauung und Atemfrequenz reguliert. Die Wissenschafter:innen untersuchten 323 Patient:innen mit unterschiedlichen Verläufen von COVID-19 sowie 33 mit SARS-CoV-2-infizierte Verstorbene. Sie konnten bei allen verstorbenen COVID-19-Patient:innen, bei denen die Untersuchung durchgeführt werden konnte, den SARS-CoV-2-Erreger im Nerv nachweisen. Dabei bestand ein Zusammenhang zwischen den Virusmengen und dem Ausmaß der krankhaften Veränderungen sowie der Entzündungsreaktion im Nerv. Weiterhin wurden auffällige Veränderungen in den Kerngebieten des Vagusnervs im Hirnstamm von COVID-19-Patient:innen entdeckt. Der festgestellten Beeinträchtigung des Nervs entsprechend, zeigte sich bei der klinischen Patient:innen-Kohorte eine verminderte Atemfrequenz bei schweren Krankheitsverläufen. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler:innen im Fachjournal Acta Neuropathologica veröffentlicht.

„Bemerkenswert war, dass das Coronavirus im Nerv zu einem starken Anstieg des Botenstoffs Interferon führte, der vermutlich zur Schädigung des autonomen Nervensystems wesentlich beiträgt“, sagt Erstautor Dr. Marcel S. Woo vom Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose des UKE. Eine Störung des autonomen Nervensystems wurde bei akuten Verläufen von COVID-19, aber auch bei Long-COVID und anderen neurologischen Erkrankungen auf der Grundlage von klinischen Beobachtungen angenommen, jedoch bisher neuropathologisch nicht sicher nachgewiesen. „Unsere Daten legen nahe, dass SARS-CoV-2, zumindest bei schweren Verläufen der Erkrankung, die Funktion des Vagusnervs einschränkt und damit zum kritischen Verlauf beitragen kann", sagt Prof. Dr. Markus Glatzel, Direktor des Instituts für Neuropathologie des UKE.

Literatur: Woo et al. Vagus nerve inflammation contributes to dysautonomia in COVID-19. Acta Neuropathologica. 2023. DOI: 10.1007/s00401-023-02612-x

Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Markus Glatzel , Institut für Neuropathologie; Prof. Dr. Manuel A. Friese , Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose

Neue Selbsthilfetechnik gegen körperbezogene Verhaltensstörungen

Die Wirksamkeit einer neuen Selbsthilfetechnik bei sogenannten körperbezogenen repetitiven Verhaltensstörungen haben Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) untersucht. Zu den Ausprägungen dieser Störungen, die die eigene äußere Körperhülle beschädigen, zählen Nägelkauen, das Ausreißen von Haaren oder Pulen der Haut. Ein Teil der Studienteilnehmenden wandte die von den Wissenschaftler:innen entwickelte Methode des sogenannten Habit Replacement an, bei der eine einfache Bewegungsroutine in symptomfreien Episoden trainiert wird, um das schädigende Verhaltensmuster zu ersetzen. Bei den Teilnehmenden der Selbsthilfegruppe nahm die Symptomatik im Gegensatz zur Kontrollgruppe stark ab, auch für Depressivität fanden sich Hinweise auf positive Effekte der neuen Methode. Insgesamt berichteten knapp 53 Prozent dieser Gruppe von einer Verbesserung der Symptome gegenüber etwa 20 Prozent in der Kontrollgruppe. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler:innen in der Fachzeitschrift JAMA Dermatology veröffentlicht. „Die vorläufigen Ergebnisse der Studie zeigen, dass Habit Replacement eine einfache und wirksame Selbsthilfestrategie gegen körperbezogene repetitive Verhaltensstörungen darstellt“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Steffen Moritz, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE.

Literatur: Moritz et al. Self-Help Habit Replacement in Individuals With Body-Focused Repetitive Behaviors. A Proof-of-Concept Randomized Clinical Trial. JAMA Dermatology. 2023. DOI: 10.1001/jamadermatol.2023.2167

Weitere Informationen: www.uke.de/impulskontrolle

Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Steffen Moritz , Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

COGITO-App für Kinder und Jugendliche ist online

Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben eine kostenfreie Selbsthilfe-App für Kinder und Jugendliche entwickelt. Ziel von „COGITO Kids“ ist es, einen besseren Umgang mit Gefühlen wie Kummer, Traurigkeit oder Ärger zu vermitteln. Die App sendet tägliche Erinnerungen mit kurzen Übungen – diese sollen zu Verhaltensweisen anregen, die das Wohlbefinden stärken und Stimmung, Selbstwert und zwischenmenschliche Fähigkeiten verbessern. Die Übungen basieren auf bewährten Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie und beziehen Elemente von Achtsamkeit und Akzeptanz mit ein. Die Nutzer:innen begleiten in der App drei fiktive Kindercharaktere (Corie, Gilyaz und Tom) durch schwierige Situationen und erleben mit, wie die Figur „Oma Bärbel“ ihnen dabei hilft, mit Problemen besser umzugehen. Die Inhalte der App wurden von der Kinderbuchautorin Astrid Frank in kindgerechter Sprache formuliert und von der Illustratorin Mariana Ruiz Villarreal gestaltet. „COGITO Kids“ kann für die mobilen Betriebssysteme Android und iOS heruntergeladen werden und ist eine für Kinder und Jugendliche angepasste Version der COGITO-App für Erwachsene. Studien der Arbeitsgruppe E-Mental Health des UKE konnten belegen, dass die Verwendung dieser App Selbstwert und depressive Symptome der erwachsenen Nutzer:innen signifikant verbessert hat.

Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Steffen Moritz , Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie


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