16.02.2024 FORSCHUNG
Neues aus der Forschung
Auswirkungen von Anabolika bei ARVC I Neuronen können Puls fühlen I Bewegungsentscheidung von Zellen entschlüsselt I Malignes Melanom: Zulassungsstudie zu personalisierter Impftherapie I Einfluss von gesünderem Lebensstil bei Brustkrebs I Förderverlängerung für ERN RARE-LIVER
Anabolika können Risiko von Vorhofflimmern bei Veranlagung erhöhen
Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben in einer Studie festgestellt, dass männliche Geschlechtshormone wie Testosteron das Risiko von Vorhofflimmern bei Patient:innen mit einer Veranlagung für genetisch bedingte Herzerkrankungen erhöhen können. Die Forschenden bezogen sich in ihrer Studie insbesondere auf den Missbrauch androgener anaboler Steroide (AAS) zum Muskelaufbau bei jungen Männern und analysierten mögliche Einflüsse auf die sogenannte arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC). Diese Herzerkrankung ist häufig genetisch bedingt und geht zumeist auf Störungen im Aufbau der Zellkontakte zurück, die zur Stabilität des Herzmuskels beitragen.
Die Wissenschaftler:innen bestätigten anhand klinischer Patient:innendaten zunächst, dass ARVC bei Männern häufiger und ausgeprägter auftritt als bei Frauen. Im Laborexperiment stellten sie dann fest, dass die Aufnahme von Testosteron für sechs Wochen bei gleichzeitig gestörten Zellkontakten zu einer verminderten Funktion der Natriumkanäle im Herzgewebe und zur Verlangsamung der Signalleitung innerhalb der Vorhöfe führen kann. „Unsere Studie kann einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über Auswirkungen auf die Herzgesundheit junger Männer leisten, die anabole Steroide zur Steigerung der Muskelmasse missbrauchen“, sagt die Erstautorin der Studie, Dr. Laura Sommerfeld, vom University Center of Cardiovascular Science (UCCS) des UKE. „Herzmuskelerkrankungen wie ARVC betreffen auch junge sportliche Menschen und können zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen – höhere Testosteronspiegel können diese Entwicklung beschleunigen“, fügt Forschungsgruppenleiterin Prof. Dr. Larissa Fabritz vom UCCS hinzu. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler:innen im Fachmagazin The Journal of Physiology veröffentlicht; ebenfalls an der Studie beteiligt waren Forschende der Universitäten Kiel, Münster und Birmingham (UK).
Literatur: Sommerfeld, Holmes, Yu et al. Reduced plakoglobin increases the risk of sodium current defects and atrial conduction abnormalities in response to androgenic anabolic steroid abuse. The Journal of Physiology. 2024. DOI: doi.org/10.1113/JP284597
Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Larissa Fabritz , University Center of Cardiovascular Science
Neuronen im Gehirn können den Puls fühlen
Die neuronale Aktivität im Gehirn kann durch den Puls beeinflusst werden – dies haben Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie gemeinsam mit Wissenschaftler:innen der Universität Regensburg (UR) herausgefunden. Die Forschenden beobachteten zunächst, dass erregende Neuronen im Riechkolben des Gehirns, sogenannte Mitralzellen, auf mechanische Druckpulsierung mit elektrischer Aktivität reagierten. Verantwortlich hierfür sind bestimmte Ionenkanäle, die auf Druckänderungen reagieren und zur Aktivierung der Neurone beitragen. Im Anschluss konnten die Forschenden diesen Effekt auch für den Herzschlag als Impulsgeber nachweisen und in weiteren Hirnarealen feststellen. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler:innen im Fachjournal Science veröffentlicht.
Die auf den Puls folgende Reaktion, die auch als neuronale elektrische Oszillation umschrieben wird, gilt als grundlegend für die Informationsverarbeitung im Gehirn. „Immer mehr Hinweise deuten darauf hin, dass solche neuronalen Oszillationen auch durch die Wahrnehmung körpereigener Signale wie Atmung oder Herzschlag moduliert werden können“, sagt Prof. Dr. Ileana Hanganu-Opatz, Direktorin des Instituts für Entwicklungsneurophysiologie des UKE. Die Forschenden gehen davon aus, dass es ein hirnweites Netzwerk spezifischer Neuronen gibt, die die körperbezogene Modulation von Kognition und Stimmung vermittelt. „So könnte beispielsweise das Auftreten bestimmter Erregungszustände mit der Aktivierung dieses Netzwerks zusammenhängen“, so Prof. Hanganu-Opatz.
Literatur: Jammal Salameh, Bitzenhofer, Hanganu-Opatz et al. Blood pressure pulsations modulate central neuronal activity via mechanosensitive ion channels. Science. 2024. DOI: doi.org/10.1126/science.adk8511
Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Ileana Hanganu-Opatz , Institut für Entwicklungsneurophysiologie
Bewegungsentscheidung von Zellen entschlüsselt
Wie bewegen sich Zellen, wenn sie im Körpergewebe an eine Kreuzung gelangen? Dieser Frage sind Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) mit einem internationalen Forschungsteam nachgegangen. Die Forschenden entwarfen unter anderem ein theoretisches Modell, das Membranschwingungen an den jeweils beteiligten Zellarmen vorhersagt, bevor diese an eine Y-Kreuzung gelangen. Die meisten Zellen setzen ihre Wanderung demnach anschließend vorwärts fort, indem sie einen der Wege wählen, der von den beiden Armen an der Zellfront erkundet wurde, anstatt stehen zu bleiben oder umzukehren. Krebszellen wiederum verbringen eine deutlich kürzere Zeit an Kreuzungen, bevor sie eine Bewegungsentscheidung treffen. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler:innen im Fachjournal Nature Physics veröffentlicht. An der Studie waren ebenfalls Forschende aus Israel, Italien, der Schweiz, China und den USA beteiligt.
„Die Studie deckt ein neuartiges Phänomen auf. Bislang war nicht bekannt, wie Zellen in einer komplexen Umgebung mit verschiedenen Richtungsoptionen wandern. Dies ist jedoch für zahlreiche biologische Prozesse von grundlegender Bedeutung. Dass Krebszellen zum Beispiel kürzer an Kreuzungen verweilen, könnte auf die erhöhte Invasionsfähigkeit dieser Zellen zurückzuführen sein, die zum Fortschreiten eines Tumors führt“, sagt Prof. Dr. Pablo J. Sáez, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie des UKE und Letztautor der Studie.
Literatur: Ron, Crestani, Kux et al. Emergent seesaw oscillations during cellular directional decision-making. Nature Physics. 2024. DOI: doi.org/10.1038/s41567-023-02335-6
Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Pablo J. Sáez , Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie
Malignes Melanom: UKE an Zulassungsstudie für personalisierte Impftherapie beteiligt
Das Universitäre Hauttumorzentrum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist als eines der ersten Zentren weltweit und erstes Zentrum in Deutschland an einer Phase III-Zulassungsstudie zu einer personalisierten mRNA-Impfstofftherapie gegen Schwarzen Hautkrebs (Malignes Melanom) beteiligt. Im Rahmen der sogenannten individualisierten Neoantigentherapie erhalten Patient:innen über insgesamt ein Jahr einen individuellen mRNA-Impfstoff parallel zu einer Immuntherapie. An der weltweit laufenden Studie werden insgesamt 1.089 Patient:innen mit metastasierter oder Hochrisiko-Melanomerkrankung teilnehmen; beteiligt sind neben dem UKE rund 100 Studienzentren. Mit einer Zulassung der Impftherapie könnte bei erfolgreicher Evaluierung ab 2025 gerechnet werden. Die finalen Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich 2029 veröffentlicht.
Im Rahmen der individualisierten Neoantigentherapie werden für jede:n Patient:in individuelle Tumormutationen mittels DNA-Sequenzierung einer Gewebeprobe identifiziert. Die für eine Immunantwort wichtigsten Sequenzen bilden die Grundlage für den mRNA-Impfstoff, der den Patient:innen parallel zu einer Antikörpertherapie über ein Jahr verabreicht wird. Bei der vorangegangenen Phase II-Studie wiesen Patient:innen, die eine entsprechende kombinierte Therapie erhielten, gegenüber der Kontrollgruppe ein um 66 Prozent niedrigeres Risiko des Wiederauftretens der Melanomerkrankung in Form von Fernmetastasen auf. „Die bisherigen Studienergebnisse stimmen uns optimistisch, dass die individualisierte Neoantigentherapie einen wichtigen Beitrag für das Ziel leisten könnte, dass Wiederauftreten einer Melanomerkrankung zu verhindern und damit Heilung zu ermöglichen“, sagt Prof. Dr. Christoffer Gebhardt, Leiter des Universitären Hauttumorzentrums am UKE.
Literatur zur Phase II-Studie: Weber, Carlino, Khattak et al. Individualised neoantigen therapy mRNA-4157 (V940) plus pembrolizumab versus pembrolizumab monotherapy in resected melanoma (KEYNOTE-942): a randomised, phase 2b study. The Lancet. 2024 (online ahead of print). DOI: doi.org/10.1016/S0140-6736(23)02268-7
Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Christoffer Gebhardt , Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Brustkrebs: Gesünderer Lebensstil kann sich positiv auf Krankheitsverlauf auswirken
Ein gesünderer Lebensstil kann sich positiv auf die Überlebensrate bei Brustkrebs auswirken. Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) stellten in einer gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) durchgeführten Studie fest, dass Empfehlungen zur Krebsprävention auch dann positive Effekte zeigen, wenn bereits eine Brustkrebsdiagnose vorliegt. Zu den gesunden Lebensstilfaktoren zählen unter anderem der Verzicht auf Alkohol und Tabak, eine gesunde Ernährung, ausreichende körperliche Aktivität und ein gesundes Körpergewicht. „Unsere Botschaft an alle Patientinnen ist daher: Es zahlt sich in Lebensjahren aus, auf einen gesunden Lebensstil zu achten – auch nach einer Brustkrebsdiagnose“, sagt Erstautorin Dr. Kathleen Gali Lo Conte vom Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH) des UKE. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler:innen im Fachjournal Cancer veröffentlicht.
Für die Studie wurden Daten der sogenannten MARIE-Studie mit mehr als 10.000 Teilnehmerinnen ausgewertet, die ursprünglich durchgeführt wurde, um mögliche Risikofaktoren für die Entstehung von Brustkrebs nach den Wechseljahren zu ermitteln. Für Patientinnen nach der Menopause konnten die Forschenden nun feststellen, dass es in der Gruppe mit dem nach Empfehlungen des World Cancer Research Fund (WCRF) gesündesten Lebensstil im Zuge der Nachbeobachtung deutlich weniger Todesfälle gab als unter den Teilnehmerinnen, die sich am wenigsten an den WCRF-Empfehlungen orientiert hatten. Dies traf sowohl auf die Gesamtsterblichkeit wie auch auf den Anteil der Todesfälle zu, die auf die Krebserkrankung beziehungsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen waren.
Literatur: Gali, Orban, Ozga et al. Does breast cancer modify the long-term relationship between lifestyle behaviors and mortality? A prospective analysis of breast cancer survivors and population-based control. Cancer. 2023. DOI: doi.org/10.1002/cncr.35104
Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Jenny Chang-Claude , Universitäres Cancer Center Hamburg
3,2 Millionen Euro für Europäisches Netzwerk zu seltenen Lebererkrankungen
Die Europäische Kommission unterstützt das Europäische Referenz-Netzwerk für hepatologische Erkrankungen (ERN RARE-LIVER) für weitere vier Jahre mit rund 3,2 Millionen Euro. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist seit 2019 Leitungszentrum des Projekts. Zentrale Aufgabe von ERN RARE-LIVER ist es, Expert:innen aus mehr als 70 Universitätskliniken in ganz Europa miteinander zu vernetzen, um die Versorgung der von seltenen Lebererkrankungen betroffenen Patient:innen zu verbessern. Dazu gehören auch die Weiterbildung junger Ärzt:innen oder die Entwicklung von Leitlinien zur besseren Diagnostik und Therapie.
ERN RARE-LIVER setzt sich aus knapp 20 verschiedenen Arbeitsgruppen zu einzelnen Lebererkrankungen aus spezialisierten Hepatolog:innen, Pädiater:innen und Patientenvertreter:innen zusammen. Zusätzlich wurde im Rahmen des Projekts ein Youth Panel eingerichtet, in dessen Rahmen 15 Erwachsene unter 25 Jahren aus verschiedenen Teilen Europas ihre individuellen Erfahrungen mit den Erkrankungen anderen Betroffenen zugänglich machen. „Wir freuen uns sehr über diese weitere und gewachsene Unterstützung für die kommenden vier Jahre und das in uns gesetzte Vertrauen von Seiten der Europäischen Kommission“, sagt Prof. Dr. Ansgar W. Lohse, Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE und Koordinator von ERN RARE-LIVER.
Weitere Informationen: rare-liver.eu
Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Ansgar W. Lohse , I. Medizinische Klinik und Poliklinik
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