Martin Scherer,
Dagmar Lühmann,
Ingmar Schäfer,
Heike Hansen,
Oshika Edris Nury,
Cathleen Muche-Borowski
Themenfeld
Versorgung bei häufigeren Erkrankungen, Behandlung von Risikofaktoren für nicht-übertragbare Krankheiten, Multimorbidität und Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in der Versorgung.
Hintergründe und Ziele
Multimorbidität ist kein schicksalhafter Prozess, sondern im höheren Lebensalter ein sehr häufiges Phänomen und damit eine Herausforderung hinsichtlich der komplexen Versorgungsbedarfe. Diese nehmen stetig zu, vor allem bei älteren Menschen. Dies stellt eine Herausforderung für die Hausärztinnen und Hausärzte dar, die primär angesprochen werden und die Versorgung koordinieren. Aber gerade für die Versorgung dieser Patientengruppe existieren kaum evidenzbasierte Leitlinien. In den Leitlinien zur Versorgung von einzelnen Erkrankungen wird Multimorbidität nicht ausreichend berücksichtigt, die Anwendung aller in Frage kommenden Einzelleitlinien kommt wegen der Vielzahl der Empfehlungen mit ihren Interaktionen und Inkompatibilitäten ebenfalls nicht in Frage. Die in 2017 veröffentlichte S3-Leitlinie „Multimorbidität“ unterstützt Hausärztinnen und Hausärzte dabei, gemeinsam mit den Betroffenen die richtigen Behandlungsprioritäten zu setzen und gleichzeitig das übergreifende Krankheitsmanagement im Blick zu behalten. Ausgehend von Einzelfallvignetten wurde in einem „bottom-up“ Ansatz und unter Einbezug von externer Evidenz sowie klinischer Expertise ein übergreifendes Versorgungskonzept, ein „Meta-Algorithmus“ erarbeitet. Ziel ist es, einer leitliniengerechten Versorgung multimorbider Patientinnen und Patienten näherzukommen.
Methodik
Das methodische Vorgehen entspricht dem Regelwerk der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen und Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Hierzu werden zunächst Ziele und Schlüsselfragen festgelegt. Danach folgen eine systematische Recherche, Bewertung und Zusammenfassung der wissenschaftlichen Literatur sowie vorhandener Leitlinien. Auf dieser Grundlage werden aktualisierte Empfehlungen erarbeitet, die Leitliniendokumente angepasst und in einem formalen Konsensverfahren abgestimmt. Durch die Überführung in eine „Living Guideline“ werden die Inhalte der Leitlinie durch regelmäßige jährliche Überprüfungen kontinuierlich aktuell gehalten.
Ergebnisse
Der „Meta-Algorithmus“, erstreckt sich, ausgehend vom aktuellen Behandlungsanlass,
bis zur Langzeitversorgung von multimorbiden Patientinnen und Patienten und schließt bei jeder Entscheidung die Werthaltungen (Präferenzen) Patientinnen und Patienten ein. Er verlässt die klassische Abfolge von Problem, Diagnose, Leitlinie, Therapie und leitet Arzt und Patient zu individuellen Lösungen.
Weiterhin wurden evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen zur patientenzentrierte Kommunikation, zum Krankheitsmanagement und zur Versorgungskoordination verabschiedet.
Der Projektverlauf wurde u.a. 2013, 2014 und 2017 auf den Jahrestagungen des Guideline International Network (G-I-N) in San Francisco, Melbourne und Cape Town vorgestellt und diskutiert. Die Leitlinie selbst wurde zum ersten Mal 2017 publiziert.
Veröffentlichung
- Muche-Borowski C, Lühmann D, Schäfer I, Mundt R, Wagner H, Scherer M and the Guideline Group of the German College of General Practice and Family Medicine (DEGAM). Development of a meta-algorithm for guiding primary care encounters for patients with multimorbidity using evidence-based and case-based guideline development methodology. BMJ OPEN. 2017;7(6).
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Multimorbidität.
Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt ca. 300.000 Euro gefördert.
Förderkennzeichen: 01VSF22008
Antrags-ID: MEDLL2_2021-023
Laufzeit: 3 Jahre
Projektleitung: Prof. Dr. Martin Scherer, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Martinistraße 5220246 Hamburg
+49 40 7410-52400, m.scherer@uke.de
Kontakt: Cathleen Muche-Borowski