Eugen Fränkel und die Choleraepidemie in Hamburg

Der Pathologe Eugen Fränkel (1853-1925)
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Der Pathologe Eugen Fränkel (1853-1925)

Wenn Sie das Medizinhistorische Museum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf besuchen, sehen Sie im Flur zur Dauerausstellung ein Portrait des Pathologen Eugen Fränkel (1853-1925), der in der Choleraepidemie 1892 in Hamburg eine entscheidende Rolle gespielt hatte.

Bereits 1884 hatte der Arzt Robert Koch (1842-1910) die Choleravibrionen als Ursache der gefürchteten Erkrankung entdeckt. Er konnte beweisen, dass die Krankheit nicht durch Kontakt mit Infizierten, sondern mit dem Stuhl von Infizierten übertragen wurde. Quarantänemaßnahmen, die Isolierung der Erkrankten, größte Sauberkeit im Umgang mit kontaminierten Gegenständen sollten die Weiterverbreitung stoppen. Spätestens auf der zweiten Cholerakonferenz in Berlin 1885 überzeugte Koch die meisten seiner Kollegen von den Infektionswegen der Krankheit. Nicht jedoch Max Pettenkofer (1818-1901), der seit 1852 Ordinarius für medizinische Chemie in München und seit Jahrzehnten der führende Hygieniker in Deutschland war. Nach seiner Boden-Grundwasser-Theorie verbanden sich Stoffe, möglicherweise auch die von Koch entdeckten Bazillen, aus den Ausscheidungen Cholerakranker mit dem Boden sowie mit dem Grundwasser, wenn die Fäkalien dort ungehindert einsickern konnten. Daraus bildeten sich Miasmen: krankheitsbringende Ausdünstungen. War die Cholera an einem Ort angelangt, waren nach Pettenkofer Vorbeugungs- und Abwehrmaßnahmen sinnlos. Quarantänemaßnahmen, die den Wirtschaftsverkehr behinderten, lehnte er ab. Die Diagnose der Cholera war für ihn mit dem massenhaften Auftreten der Krankheit verbunden. Einzelfälle konnten nach seiner Definition keine Cholera sein. Er forderte eine Sanierung der Böden durch zementierte Abtrennung der Abtritte und Sickergruben. Auch wenn sich Pettenkofers Theorie als falsch erwies, hat sie entscheidend zur Assanierung der Städte beigetragen.

Der Hamburger Medizinal-Inspektor Theodor Kraus (1826-1892) war zur Zeit der Choleraepidemie der Hauptverantwortliche für das öffentliche Gesundheitswesen in Hamburg. Er hielt 1892 noch an der bereits überholten Lehrmeinung Pettenkofers fest und beurteilte daher bei ausgebrochener Cholera Vorbeugungs- und Abwehrmaßnahmen als sinnlos. Die Senatoren folgten den Ansichten ihres Medizinal-Inspektors. Für die Wirtschaft der Handels- und Hafenmetropole Hamburg war nichts schlimmer als Quarantäne. Bei Verdachtsfällen sollte daher nicht leichtfertig die Diagnose Cholera asiatica ausgesprochen werden. Amtsärzte und Krankenhausärzte wurden entsprechend instruiert.

Eugen Fraenkel war der erste Leiter der Pathologie des 1889 offiziell eröffneten Allgemeinen Krankenhauses Eppendorf und mit Gründung der Universität 1919 der erste Ordinarius für Pathologie und pathologische Anatomie. Er hatte die neuen diagnostischen Möglichkeiten der Bakteriologie in die Diagnostik der Pathologie integriert und war ein erfahrener Bakteriologe. Als Mitentdecker des Gasbrandbazillus hatte er Medizingeschichte geschrieben.

In der Nacht vom 16. auf den 17. August 1892 wurde ein 24-jähriger Maurergeselle nach dem Trinken von Elbwasser mit schweren Durchfällen und Erbrechen ins Eppendorfer Krankenhaus eingeliefert. Da Fraenkel im Urlaub war, übernahmen der ärztliche Direktor Theodor Rumpf (1851-1934) und sein Sekundärarzt Theodor Rumpel (1862-1923). Sie legten Gelatinekulturen an, doch gelang es ihnen nicht, die Erreger der Cholera mit Sicherheit nachzuweisen. Rumpel, der erst seit fünf Monaten seine leitende Stelle innehatte, wagte es wegen der möglicherweise weitreichenden Konsequenzen nicht, den Verdacht auf Cholera weiterzugeben. Später schrieb er, am 19. wie am 20. August seien die Gelatineplatten ohne Befund gewesen.

In den nächsten zwei Tagen kam es zu 43 neuen Krankheitsfällen, die nicht im Krankenhaus behandelt wurden. Einige niedergelassene Ärzte machten Meldungen an das Medizinalamt, die aber unbeachtet blieben. Im Krankenhaus St. Georg wurden erst am 21. August Patienten mit Choleraverdacht eingeliefert. Am 22. August erfuhr Rumpel von den Cholerafällen. Und Fraenkel überbrachte ihm das gleiche Ergebnis: Er hatte bereits am Sonntag, den 21. August, die Platten des am 17. August verstorbenen Maurers gesehen und aus einigen sehr verdächtigen Kolonien eine Stichkultur angelegt. Am 22. August konnte er die Choleravibrionen in Reinkultur nachweisen. Das gelang ihm ebenso aus dem Darm eines anderen Patienten, der ebenfalls am 21. August mit Brechdurchfall nach Eppendorf eingewiesen und nach wenigen Stunden verstorben war. Rumpf fragte seinen Kollegen Fraenkel ausdrücklich, ob er die Verantwortung für die Folgen übernehmen wolle und schickte am Mittag des 22. August ein Telegramm an Medizinal-Inspektor Kraus, der die Nachricht mit mehreren Cholerafällen nicht mehr als Einzelfälle ignorieren konnte. Er musste jetzt den verantwortlichen Polizeisenator Gerhard Hachmann (1838-1904) informieren. Erst am 24. August erließ der Senat Quarantänemaßnahmen. An diesem Tag wurden bereits 367 Erkrankungen, davon 114 Todesfälle gezählt.

Wenn Sie das Museum verlassen, gehen sie jetzt an der Rückseite des Gemäldes von Eugen Fraenkel vorbei. Dort sehen Sie am oberen Rand des Rahmens einen kleinen Zettel mit der handschriftlichen Notiz: „Eingeliefert vom Universitätskrankenhaus Eppendorf, 12.10.1939.“ Das Portrait, das den jüdischen Arzt Fränkel zeigt, wurde von der jüdischen Künstlerin Gretchen Wohlwill (1878-1962) gemalt. Das genügte den Nationalsozialisten, es als „entartete Kunst“ zu entwerten.

Literatur:

Philipp Osten, Gretchen Wohlwill, Bildnis Eugen Fraenkel, 1928, in: Kunstschätze und Wissensdinge: Eine Geschichte der Universität Hamburg in 100 Objekten, Petersberg, S. 164-167.

Ursula Weisser, Zur Cholera in Hamburg 1892 – Medizin- und sozialhistorische Aspekte. Hamburger Ärzteblatt 12/1992, S. 424-428.

Stefan Winkle, Geißeln der Menschheit, Düsseldorf, Zürich, 1997.

Theodor Rumpf, Die Diagnose der ersten Cholerafälle in den Staatskrankenanstalten zu Hamburg, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift, 1892, S. 858.

Foto: Karin Plessing/Reinhard Scheiblich

Autorin: Doris Fischer-Radizi