BipoLife - Forschungsverbund zu bipolaren Störungen

Überblick

Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbund BipoLife (Koordination: Prof. Dr. Dr. M. Bauer), hat es sich zur Aufgabe gemacht, an den in Diagnostik und Behandlung schwierigen Punkten im Verlauf einer Bipolaren Störung das Wissen zu verbessern. Fundament der Entscheidung zur Gründung eines Verbundes war die Erkenntnis, dass der Verlauf der Bipolaren Störung sehr heterogen ist und Personen die an einer bipolaren Störung leiden, sehr unterschiedliche Bedürfnisse bezüglich der Diagnostik und Therapie haben können. Insgesamt neun Universitätskliniken werden unter Koordination des Universitätsklinikum Dresden über einen Zeitraum von vier Jahren Menschen in verschiedenen Stadien der Bipolaren Störung untersuchen. Der Fokus des Verbundes liegt hierbei auf Personen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko, Personen in frühen Stadien der Erkrankung und Personen mit einem instabilen Krankheitsverlauf. Zudem beschäftigt sich der Verbund mit der Frage, welche neurobiologischen Mechanismen bei der Suizidalität eine Rolle spielen und welche genetischen Mechanismen das therapeutische Ansprechen auf Lithium beeinflussen.

Teilprojekte in unserer Klinik

  • Einleitung

    Bipolare Störungen sind schwerwiegende Erkrankungen, welche weltweit zu den zehn Erkrankungen mit den meisten mit Beeinträchtigung gelebten Lebensjahren zählen. Die bipolare Störung (früher manisch-depressive Erkrankung) ist durch das Auftreten von Depressionen (d.h. Phasen niedergedrückter Stimmung) als auch von Manien (d.h. Phasen mit euphorischer und/oder gereizter Stimmung und einem erhöhten Aktivitätsniveau) gekennzeichnet. Da es mittlerweile gute Hinweise für ein Vorläuferstadium der bipolaren Störung gibt, welches dem Erkrankungsbeginn vorausgeht, werden Strategien für ein frühzeitiges Erkennen in dieser Phase dringend benötigt. Dabei werden aktuell mehrere mögliche Risikofaktoren diskutiert, darunter zum Beispiel die Erkrankung naher Angehöriger, heftige Stimmungsschwankungen sowie spezifische Schlaf- und circadiane Rhythmusstörungen. Wie verlässlich diese möglichen Risikofaktoren die Erkrankung vorhersagen können, und was schützende Faktoren sind, ist aktuell noch unzureichend untersucht.

    Da die Betroffenen auch im Vorläuferstadium oft schon Hilfe suchen und bereits durch Symptome beeinträchtigt sind, bedarf es neben Strategien zur frühzeitigen Erkennung auch frühzeitigen, spezifischen Behandlungsoptionen.Über Früherkennungsmaßnahmen werden aber auch Patienten mit bereits erfüllten Diagnosekriterien entdeckt, die vorher noch nicht erkannt waren, was zu einer kürzeren Zeit bis zur korrekten Diagnosestellung und zu einem schnelleren Zugang zu einer adäquaten Behandlung führt.

    Ziel der Studie

    Ziele des Projekts sind es zum einen, das frühzeitige Erkennen von Risikostadien für die Entwicklung bipolarer Störungen durch eine systematische Erfassung von Symptomen und Merkmalen in verschiedenen Gruppen von Risikopersonen zu verbessern. Die in der vorliegenden Studie in Hamburg untersuchten Risikogruppen sind (I) Hilfesuchende Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 35 Jahren, welche Früherkennungsinitiativen aufgesucht haben und mindestens einen der möglichen Risikofaktoren für die Entwicklung bipolarer Störungen aufweisen und (II) stationäre und ambulante Patienten mit einem depressiven Syndrom im Alter von 15 bis 35 Jahren. Als Kontrollgruppe werden Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von aktuell 18-20 Jahren aus der IMAGEN-Studienkohorte untersucht (IMAGEN ist eine europäische Studie zur Untersuchung von biologischen und Umweltfaktoren, welche möglicherweise einen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben). Da aktuell international drei Symptomkataloge und Früherkennungsinstrumente genutzt werden, soll im Rahmen der Studie auch geprüft werden, inwieweit diese zusammengefasst werden können.

    Ein weiteres Ziel der Studie ist es, bei den im Verlauf der Diagnostik identifizierten Personen mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung einer bipolaren Störung, sorgfältig und umfassend zu untersuchen, welche frühe Behandlungsansätze individuell genutzt werden und wie effektiv und verträglich diese sind.

    Studienzentren der Studie sind die Universitätskliniken in Dresden, Bochum, Hamburg, Berlin, Marburg, Tübingen und Frankfurt sowie das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim für die IMAGEN-Kohorte. Es ist geplant, in den Risikogruppen I und II sowie der Kontrollkohorte werden jeweils 500 Studienteilnehmer zu untersuchen. In der Risikogruppe III ist geplant, 150 Studienteilnehmer zu untersuchen.

    Dauer und Ablauf der klinischen Studie

    Die Studie dauert insgesamt vier Jahre. Individuell wird jeder Studienteilnehmer mindestens zwei Jahre nachuntersucht. Bei ihrer ersten Studienvisite wird ein Studienmitarbeiter (Arzt oder Psychologe) mit Ihnen verschiedene Fragebögen durchgehen. Sie werden dabei zu möglichen Beschwerden befragt, Informationen über Ihren Schlaf, Ihren Tag/Nachtrhythmus und Ihren Stimmungsverlauf werden erhoben. Die Fragebögen sind zum Teil von Ihnen selbst auszufüllen. Diese Visite, die auf zwei Tage aufgeteilt wird, wird etwa 4 Stunden in Anspruch nehmen.

    In jedem Falle werden Sie über das Ergebnis der Risikofaktorenerhebung ausführlich informiert. Danach entscheiden Sie gemeinsam mit Ihrem Studienarzt, bzw. behandelnden Arzt, sofern Sie einen solchen haben, wie die Behandlung aussehen soll. Individuell wird nach Behandlungsentscheidung die Häufigkeit der Beobachtungsvisiten festgelegt. Mindestens werden Sie jedoch nach 6, 12, 18 und 24 Monaten für eine Verlaufsuntersuchung kontaktiert, die zwei bis drei Stunden dauern wird. Hier wird die Entwicklung (den Verlauf) erfasst. Dafür werden wir einen Termin mit Ihnen im Studienzentrum vereinbaren, Teile dieser Visite können auch telefonisch stattfinden.

    In dem Falle, dass Sie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer bipolaren Störung tragen sollten, und Sie unter Symptomen leiden bzw. sich beeinträchtig fühlen, wird die Häufigkeit der Visiten von Ihnen und Ihrem Behandler individuell festgelegt, je nachdem, ob und welche Form einer Behandlung Sie vereinbaren. Bei medikamentösen Behandlungen werden gerade zu Beginn häufig wöchentliche Visiten, später Visiten alle 8 Wochen vereinbart. Bei einer psychotherapeutischen Behandlung werden Visiten weniger häufig, aber auch meist alle 8 Wochen durchgeführt.

  • Einleitung

    Bipolar affektive Erkrankungen nehmen bei der Mehrzahl der Betroffenen einen chronischen Verlauf, d.h. es kommt immer wieder zu depressiven bzw. manischen Krankheitsepisoden. Die Auswirkungen dieser wiederholten Krankheitsphasen übertreffen andere Erkrankungen, wie z.B. Depression, die auch in Episoden auftreten und dann wieder abklingen, um ein Vielfaches. Chronische, wiederholt phasenweise auftretende bipolare Störungen führen unter anderem zu ausgeprägter psychischer, sozialer, familiärer und beruflicher Beeinträchtigung. In der Mehrheit der Fälle beginnt die bipolare Störung vor dem 18. Lebensjahr, verläuft lebenslang und bedarf immer der begleitenden, stimmungsstabilisierenden Medikation. Während man noch vor einigen Jahren überzeugt war, alleine durch die Dauermedikation mit „mood stabilizer“ den Verlauf der bipolaren Störung beeinflussen und neue Krankheitsepisoden verhindern zu können, hat sich heute die Erkenntnis durchgesetzt, dass Medikamente alleine nicht ausreichen, da es trotz Dauermedikation zu Rückschlägen kommt und daher eine begleitende Psychotherapie für bipolare Störungen angemessen und den Behandlungserfolg steigernd ist. Für diese Annahme reichen jedoch die wissenschaftlichen Erkenntnisse noch nicht aus. Vor allem ist unklar, ob die Anwendung von Psychotherapie bei jüngeren Betroffenen mit bislang wenigen Krankheitsepisoden ganz besonders hilfreich und für die Verhinderung, die Abschwächung bzw. Verzögerung von neuen Krankheitsepisoden besonders angezeigt ist.

    Ziele der Studie

    Ziel dieser kontrollierten, randomisierten Therapiestudie ist es, bei jüngeren Patienten (18 - 30 Jahre), die an einer bipolaren Störung leiden, gegenwärtig weitgehend symptomfrei und stabil mediziert sind, damit sich in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung befinden, die Wirksamkeit einer adjuvanten, spezifischen Psychotherapie zur Rückfallprophylaxe mit einer unterstützenden, auf Selbststeuerung und Selbsthilfe ausgerichteten und informierenden Psychotherapie zu vergleichen. Damit wird ein Beitrag zur evidenzbasierten Verbesserung der klinischen Versorgung dieser Patientengruppe geleistet. Die Behandlungsmanuale werden der Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht und optimieren so die klinische Versorgung dieser Patientengruppe. Ferner werden gesundheitsökonomische und grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse zu den kurz- und längerfristigen Auswirkungen einer erfolgreichen ergänzenden psychologischen Therapie untersucht.

    Sekundär geht es darum, Wirkmechanismen (Mediatoren) auf neurobiologischer, emotionaler und kognitiver Ebene einer erfolgreichen Psychotherapie bei bipolaren Störungen zu erkennen, zu differenzieren und einzugrenzen. Damit werden verbesserte Behandlungsentscheidungen und spezifischere Interventionen ermöglicht.

    Ein weiteres Forschungsziel ist es, Merkmale zu identifizieren, die bereits vor Behandlungsbeginn später erfolgreiche von weniger erfolgreichen Krankheitsverläufen zu unterscheiden erlauben. Die prüfbaren Prädiktoren bzw. Moderatoren sind zum einen die neuronalen Auffälligkeiten bzw. die Ausgangseffekte im Impulskontroll-, Belohnungs- und Emotionsnetzwerk bei sozial-kognitiven und emotionalen Aufgaben (funktionell). Ferner werden Episodenanzahl, Erkrankungsalter, Schweregrad der letzten Episode, soziodemographische Faktoren und soziales Funktionsniveau als Prädiktoren des Behandlungserfolgs (Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls, Zeitstrecke bis Rückfall) untersucht.

    Ablauf der Studie

    Wenn Sie mit uns Kontakt aufnehmen, werden wir mit Ihnen zunächst kurz besprechen, ob Sie grundsätzlich für die Studie geeignet sind. Ist dies der Fall, laden wir Sie zu einem ausführlichen Diagnostiktermin ein, um genau zu untersuchen, ob Sie in die Studie aufgenommen werden können. Wenn dies zutrifft, werden Sie per Zufall einer der beiden Therapiebedingungen zugelost. Dies ist für die wissenschaftliche Qualität der Studie unbedingt notwendig. Sollten Sie bei Studienbeginn noch nicht in psychiatrischer Behandlung sein, würden wir diese für Sie im Rahmen der Studienteilnahme gewährleisten.

    Die Therapie umfasst in jeder Therapiebedingung vier ganztägige Termine (ca. 8h Dauer inkl. Pausen), jeweils im Abstand von ca. 4 Wochen. Nachdem Sie die gesamte Therapie durchlaufen haben, findet ca. 6 Monate nach Ihrem ersten Diagnostiktermin eine erneute Diagnostik statt. Nach weiteren 6 bzw. 12 Monaten nach Abschluss der Therapie laden wir Sie zu zwei weiteren Diagnostikterminen ein, um zu sehen wie es Ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist.

  • Fragestellung

    Können Krankheitsepisoden verhindert werden, indem per Smartphone automatisch erhobene Parameter, welche auf eine beginnende depressive oder manische Phase hinweisen, dem Behandler und/oder Patienten frühzeitig rückgemeldet werden?

    Hintergrund

    Bipolare Erkrankungen sind chronische, episodisch verlaufende Erkrankungen. Die ersten manischen oder depressiven Episoden treten üblicherweise im frühen Erwachsenenalter auf. Meist besteht für die Betroffenen eine starke Beeinträchtigung im Alltag.

    Die Frühwarnzeichenerkennung zur Verhinderung neuer (hypo)manischer und depressiver Episoden erfolgt bisher üblicherweise mit Hilfe von Stimmungstagebüchern. Um den Aufwand für den Patienten selbst zu reduzieren und objektive Hinweise auf Frühwarnzeichen zu erhalten, soll nun elektronisch mittels Smartphone solches Verhalten des Patienten ambulant im Alltag erfasst werden, das mit bipolaren Symptomen zusammenhängt und neue Episoden ankündigen könnte (wie z.B. Kommunikation und Bewegung oder allgemeine Aktivität).

    Die hierbei täglich erfassten Variablen sind:

    • Anzahl und Länge ausgehender Anrufe
    • Anzahl und Länge ausgehender SMS
    • Häufigkeit und Dauer der Smartphonenutzung generell (wie oft und lang ist das Display an)
    • zurückgelegte Wegstrecke, Schrittzähler

    Ablauf

    • ausführliche Information und Aufklärung über die Studie
    • Einführung in den Umgang mit dem ausgehändigten Studien-Smartphone, auf welchem die movisensXS App zur Erfassung der erwähnten Verhaltensparameter installiert ist
    • Wöchentliche Interviews über 4-20 Wochen
    • Zuordnung zu einer Gruppe mit oder ohne Intervention
    • monatliche Interviews über 18 Monate

    Für die Studienteilnahme wird den Teilnehmern ein Smartphone überlassen, welches über die 18-monatige Studienlaufzeit hinweg genutzt werden soll. Des Weiteren erhalten die Teilnehmer/-innen eine monatliche Zahlung in Höhe von 15€ als Aufwandsentschädigung, die falls nötig zum Beispiel die Kosten für eine Aufstockung des bestehenden Mobilfunkvertrages (wie etwa eine Erhöhung des Datenvolumens auf mind. 500 MB/Monat) abdecken soll.

    Von den Teilnehmer/innen werden nur jene Patienten einer der beiden Untersuchungsgruppen (mit/ohne Rückmeldung der Smartphonedaten an das Studienpersonal) zugeordnet, die sich innerhalb der ersten sechs Monate stabil, d.h. für mindestens 4 Wochen in keiner Krankheitsepisode befanden. In der Interventionsgruppe wird das Studienpersonal bei Über- oder Unterschreiten vordefinierter Schwellenwerte informiert und verschafft sich einen Eindruck darüber, ob das Prodromalstadium einer Episode vorliegt und die Behandlung ggf. angepasst werden muss.

Verantwortlich für den Inhalt
Autoren: Prof. Dr. Martin Lambert
Erstellung: 28.01.2017
Letzte Änderung: 10.04.2018